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Die Erwartungen, die durch eine Gesundheits-App geweckt werden, ob Rauchentwöhnung, mehr Bewegung, regelmäßige Medikamenteneinnahme oder gesünderes Essen, sind bei vielen Anwendern anfangs hoch. Auch Entscheidungsträger im Gesundheitswesen erwarten sich einiges. Da ist die Rede von einer Verbesserung in der Gesundheitsvorsorge, von Kosteneinsparungen, Qualitätserhöhung sowie Kompensation des Ärzte- und Pflegekräftemangels und Eigenverantwortung der Bürger. Apps sollen Gesunden wie Patienten eine aktive Umgangsweise mit ihrer Gesundheit oder Krankheit ermöglichen. Deutschland hat erst kürzlich gar das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) beschlossen und Apps auf Rezept ermöglicht.
Doch wie bindet man die User an die App? Die Möglichkeit, immer weiter zu scrollen, wie beispielsweise auf Instagram oder Facebook, führt dazu, endlos dran zu bleiben, da es kein Ende gibt. Onlinespiele nutzen oft Belohnungen oder Gratislevels, um User an das Spiel zu binden – Suchtverhalten nicht ausgeschlossen. Diese Marketingmethoden haben sicher einen psychologischen Anteil und zielen darauf ab, die Nutzungsdauer und Wiederbesuchshäufigkeit zu erhöhen (im Marketingjargon spricht man von „Stickiness“). Doch eigentlich geht es dabei darum, mit der App Geld zu verdienen. [1]
Statistiker sagen, der Durchschnitts-Smartphonenutzer lädt bis zu 30 Apps auf sein Handy, nutzt jedoch nur ein bis zwölf regelmäßig. Das Interesse lässt nach ungefähr drei Wochen bereits deutlich nach. Auswertungen aus dem Jahr 2017 gehen davon aus, dass die Retentionsrate überhaupt nur bei etwa zehn Prozent liegt, d.h. dass von 100 Nutzern nur zehn die App nach 30 Tagen überhaupt noch öffnen. Diese Zahlen stammen aus dem digital-begeisterten Japan, weltweit soll sie noch geringer ausfallen. Doch so genau weiß man das ohnehin nicht, denn Appstores geben bestenfalls Downloadzahlen bekannt, die nicht mit der tatsächlichen Nutzung der App gleichgesetzt werden können.
Aber wie können Gesundheits-Apps dann überhaupt einen nachhaltig positiven Effekt haben? In der Verhaltenspsychologie kennt man zahlreiche Methoden, um eingefahrenes Verhalten zu ändern und Patienten zu motivieren, ihren Lebensstil langfristig zu ändern. Wer sich darin vertiefen mag, dem seien die Publikationen der beiden Psychologen und Psychotherapeuten Sonia Lippke und Babette Renneberg(2) nahegelegt. Den Schluss, den Studien, die das Vorkommen dieser Methoden in Fitness-Apps untersucht haben, ziehen, ist leider wenig beruhigend: So berücksichtigen nur ganz wenige Apps Grundlagen aus der Verhaltenspsychologie. Gängige Methoden, die oft verwendet werden, sind z.B. das Bereitstellen von Informationen rund um Gesundheit oder Ernährung, die Darstellung von körperlichen Aktivitäten, wie das Anleiten von Übungen, die Dokumentation (Tracking) oder eine Belohnung, wenn ein vorher definiertes Ziel erreicht wurde, sowie das Teilen des Erfolges in den Sozialen Medien. Push-Nachrichten oder Erinnerungen, wenn beispielsweise einige Zeit kein Sport gemacht wird, finden sich jedoch eher selten. Gerade Letzteres, die kontinuierliche Begleitung des Anwenders, soll aber bei Lebensstiländerungen sehr effektiv sein. [3]
Es wird wohl in Zukunft eine neue interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Public-Health-Experten, Psychologen und App-Entwicklern gefragt sein, die heute nicht unbedingt dieselbe Sprache sprechen und zwischen denen die Kommunikation wohl auch insgesamt noch eher schwierig zu sein scheint. Es liegt also derzeit nicht immer am eigenen inneren Schweinehund, der die dauerhafte Nutzung und damit den Erfolg einer App verhindert.
Quelle: ÖKZ 03-04/2020 (Jahrgang 61), Schaffler Verlag