CompuGroup Medical
Synchronizing Healthcare

Erfahren Sie alles über die Vision, Mission sowie die Menschen, die die CompuGroup Medical weltweit prägen. 

Investor Relations
Eine Person tippt mit dem Finger auf ein Tablet-PC mit einer Investor-Relations-Präsentation
Karriere
Eine junge Frau telefoniert mit ihrem Smartphone, während sie einen Tablet-PC hält
CGM Global
Mehrere CGM-Flaggen

Gesundheits­kompe­tenz durch Mitbe­stim­mung

Partizipation erhöht die Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten und verbessert deren Gesundheitsversorgung. Das Beispiel Diabeteszentrum Wienerberg. Im Rahmen des Wiener Zielsteuerungsprojekts Diabeteszentrum Wienerberg wird der innovative Weg beschritten, Menschen mit Diabetes mellitus bereits in der Planungsphase zu beteiligen. So sollen bedarfsgerechte Angebote und gute Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Patientinnen und Patienten gestärkt werden. 

 

Diabetesversorgung – Partizipation als Conditio sine qua non 

Österreich weist überdurchschnittlich hohe Zahlen von diabetesbezogenen Spätfolgen (u.a. Amputationen) auf.[1] Diese erzeugen viel menschliches Leid und hohe Gesundheitsausgaben. 

Für eine qualitätsgesicherte Diabetesversorgung sind Fachkräfte und Menschen mit Diabetes mellitus gleichermaßen auf Zusammenarbeit angewiesen. Fachkräfte haben das medizinische, pflegerische und/oder therapeutische Fachwissen, um die Erkrankung zu behandeln. 

Menschen mit Diabetes mellitus kennen ihren Alltag und wissen, was für sie umsetzbar ist und ein gutes Leben ausmacht. Im gemeinsamen Gespräch können so möglichst passgenaue Maßnahmen ausgehandelt und vereinbart werden, damit Diabetes-Kranke ein gutes Gesundheits- und Krankheitsmanagement in ihrem Alltag umsetzen können. 

Durch Partizipation an Entscheidungen über die Gesundheitsversorgung erhöht sich das Verständnis und Wissen unter den Beteiligten für die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen, und Unsicherheit bzw. falsche Vorannahmen reduzieren sich. Dies ermöglicht den Patientinnen und Patienten, die Gesundheitsversorgung gezielter in Anspruch zu nehmen, und den Verantwortlichen eine patientenorientierte Gestaltung dieser Gesundheitsversorgung. Partizipation stärkt damit die Gesundheitskompetenz von Menschen mit Diabetes mellitus, von Fachkräften und Gesundheitsversorgungseinrichtungen als Organisation. 

Einer der Schwerpunkte im Rahmen der Wiener Zielsteuerung-Gesundheit liegt auf der Verbesserung der Diabetesversorgung. Mit dem geplanten Diabeteszentrum Wienerberg wird ein neues Versorgungsangebot auf der Versorgungsebene zwei pilotiert. Es soll die Spitalsambulanzen entlasten und die Versorgung im niedergelassenen Bereich stärken.[2] 

Um diese Ziele zu erreichen, wird für das Diabeteszentrum ein Versorgungsauftrag definiert, der eine integrierte Versorgung ermöglichen soll. Ein multiprofessionelles Team wird Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 nach Zuweisung, Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 und Frauen mit Gestationsdiabetes kontinuierlich betreuen. 

Mit dem Teilprojekt PatientInnenpartizipation in der Diabetesversorgung in Wien (ParDi) wurde das Ziel verfolgt, Menschen mit Diabetes mellitus in die Planung des Diabeteszentrums und dessen Versorgungsangebot einzubeziehen. Damit sollen eine an die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten angepasste Gestaltung des Diabeteszentrums sowie eine intensivere Beteiligung der Betroffenen an ihrer Behandlung erreicht werden. Ein weiteres Projektziel war methodisches Lernen über Patientenbeteiligung. Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) wurde 2020 mit der Planung und Umsetzung des Beteiligungsprozesses beauftragt. 

 

ParDi – PatientInnenpartizipation in der Diabetesversorgung in Wien 

Aufgrund der COVID-19-Pandemie musste der Beteiligungsprozess mehrfach adaptiert werden. 

Zunächst wurde der Boden für Beteiligung bereitet. Das Projektteam der GÖG und Zielsteuerungspartner, u.a. bestehend aus der Österreichischen Gesundheitskasse in Wien (ÖGK Wien) und dem Wiener Gesundheitsfonds, stimmten die Ziele und den Rahmen für Beteiligung ab. Anschließend wurden die einschlägigen Selbsthilfe-(dach-) Organisationen über das Projektvorhaben informiert und mögliche Unterstützungsleistungen ausgelotet. Durch diese Kooperation konnten erste explorative Interviews mit Selbsthilfevertreterinnen/-vertretern und Menschen mit Diabetes mellitus geführt werden. Dadurch konnten Einblicke in die Versorgungssituation und die Beteiligungsmotivation gewonnen werden. 

Auf Basis der Informationen und des Konzepts für das Diabeteszentrum wurde ein Fragebogen für die Erhebung der Patienten- und Patientinnenbedürfnisse sowohl für die Gestaltung als auch das Versorgungsangebot entwickelt. Die Fragebogenerhebung wurde breit beworben und stand im Juni-Juli 2020 online auf Deutsch, Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) zur Verfügung. Zudem wurden Fragebögen in den Diabetesambulanzen aufgelegt. Insgesamt konnten 520 Fragebögen in die Auswertung einbezogen werden. Am Ende des Fragebogens wurden die Teilnehmenden eingeladen, sich beim Projektteam der GÖG für die Beteiligung am weiteren Prozess zu melden. Insgesamt folgten 20 Personen der Einladung. 

Nachdem wenige Menschen mit Migrationshintergrund erreicht werden konnten, wurden im Sommer zwei Fokusgruppen mit dieser Zielgruppe durchgeführt. Dadurch wurden auch Menschen mit Migrationshintergrund für den weiteren Prozess gewonnen. 

Die Ergebnisse von Fragebogenerhebung und Fokusgruppen bildeten die Grundlage für eine Serie von drei dreistündigen Workshops. Im ersten Workshop wurden das Projekt Diabeteszentrum Wienerberg und die Fragebogenergebnisse vorgestellt. Auf Basis des Inputs und der Erfahrungen der Teilnehmenden folgte eine Sammlung von relevanten Themenbereichen und Aspekten, die bei der Planung berücksichtigt werden sollten. Die erarbeiteten Inhalte wurden vom Prozessbegleitungsteam berichtsmäßig aufbereitet. Dabei wurden 35 Empfehlungen erarbeitet, die in sieben Bereiche zusammengefasst werden können: [3], [4]

  • Diabeteszentrum als Ort des Wohlfühlens mit dem Ziel, dass sich Patientinnen und Patienten gut auf den Behandlungsprozess bzw. die Schulung einlassen können
  • Diabeteszentrum als Ort der patientenzentrierten Versorgung, d.h. der Fokus soll auf einer ganzheitlichen Betrachtung des Menschen mit seinen körperlichen, sozialen und psychischen Bedürfnissen liegen
  • Diabeteszentrum als Ort des Lernens und Verstehens, d.h. Menschen sollen befähigt werden, im Alltag und in Sondersituationen ihren Diabetes managen zu können f Diabeteszentrum als Ort guter Kommunikation und Beziehung mit ausreichend Zeit und idealerweise einer kontinuierlichen Ansprechperson für jede Patientin und jeden Patienten
  • Diabeteszentrum als Ort der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und Beteiligung, d.h. eine Etablierung muttersprachlicher Angebote und ein Beteiligen von Patientinnen und Patienten an Behandlungsentscheidungen entsprechend ihren Präferenzen
  • Diabeteszentrum als Ort des Care Managements und des anwaltschaftlichen Handelns, d.h. u.a. die Berücksichtigung der Schnittstelle zu niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärztinnen

 

Im zweiten Workshop arbeiteten die Teilnehmenden (ParDiGruppe) die Empfehlungen weiter aus. Dazu wurden zu jeder Empfehlung – basierend auf einer Problembeschreibung – Gestaltungsvorschläge mit einer Begründung sowie Erfolgsindikatoren formuliert. Außerdem wurde ein erster Austausch mit den Verantwortlichen des Diabeteszentrums vorbereitet. Dies erschien wichtig, um neben den Inhalten auch einen sozialen Prozess zu starten. Das Format „Trialog“ wurde geschaffen, um einen Rahmen für den Austausch zwischen Menschen mit Diabetes mellitus, den Verantwortlichen für das Diabeteszentrum und der beiden Landeszielsteuerungspartner ÖGK und Stadt Wien zu etablieren. 

In diesem Trialog wurden die Empfehlungen von Menschen mit Diabetes vorgestellt und gemeinsam Möglichkeiten der Umsetzung diskutiert. Die GÖG moderierte den Prozess. Es gelang, eine offene und wertschätzende Atmosphäre zu schaffen, die dazu führte, dass seitens der Verantwortlichen des Diabeteszentrums eine Einladung zur weiteren Beteiligung ausgesprochen wurde. Daraufhin sondierten Menschen mit Diabetes in einem dritten Workshop, bei welchen Themen aus ihrer Sicht eine weitere Beteiligung sinnvoll ist. Insgesamt zeigte der Beteiligungsprozess 2020, dass Beteiligung trotz Krise möglich ist und erfolgreiche Beteiligung nachhaltig ist. 

 

Ausblick – Wie geht es weiter? 

Der Weg der Beteiligung von Menschen mit Diabetes mellitus, der bei den Planungen des Diabeteszentrums begonnen hat, soll auch weiterhin fortgesetzt werden. So haben sich einige Personen der ParDi-Gruppe bereiterklärt, ihre Meinungen und Erfahrungen zu Teilaspekten der Gestaltung und des Angebotes des Diabeteszentrums einzubringen. 

Sie werden punktuell in die Raum- und Farbgestaltung, die Gestaltung der Homepage und von Schulungsmodulen eingebunden. Darüber hinaus soll Patientenbeteiligung im Diabeteszentrum nachhaltig verankert werden. Im Wissen darum, dass dies ein komplexes Unterfangen ist, sieht das zukünftige Projekt die partizipative Entwicklung nachhaltiger Beteiligungsstrukturen und -prozesse vor. 

Dafür werden Mitarbeitende des Diabeteszentrums und Patientinnen und Patienten des Diabeteszentrums eingeladen, in mehreren Workshops gemeinsam das „Warum der Beteiligung“ zu erarbeiten, auf dessen Basis dann ein Beteiligungsprogramm abgeleitet werden kann. Diese geplanten Workshops erlauben ein erstes gemeinsames Kennenlernen und Verstehen der jeweils anderen Bedürfnisse und Perspektiven. Durch positive Beteiligungserfahrungen sollen sowohl die Patientinnen/Patienten als auch die Mitarbeitenden des Diabeteszentrums den Wert von Partizipation erkennen und Unsicherheiten in Kommunikation und Zusammenarbeit überwinden. 5 Darüber hinaus soll ein Leuchtturmprojekt für Patientenpartizipation geschaffen werden, das auch in anderen Gesundheitsbereichen Nachhaltigkeit findet.

 

LITERATUR

[1] Rechnungshof (2019): Diabetes-Prävention und -Versorgung. Bericht des Rechnungshofes. Reihe Bund 2019/43, Wien 

[2] Zielsteuerung Gesundheit Wien (2019): Projektehandbuch Zielsteuerung-Gesundheit Wien 3. aktualisierte Auflage Dezember 2019. Wien. Zugang: https://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/gesundheitsfonds/pdf/zg-projektehandbuch.pdf. Zugriff: 8.4.2021. 

[3] Wiener Allianz für Gesundheitsförderung in Gesundheitseinrichtungen (Allianz-NL) (2020): Newsletter 32, Jänner 2021. Wien. Zugang: http:// www.allianz-gf-wien.at/fileadmin/daten-allianzgf-wien/Newsletter/NL_32.pdf. Zugriff: 8.4.2021. 

[4] ParDi-Arbeitsgruppe (2020): Empfehlungen von Menschen mit Diabetes mellitus für das geplante Diabeteszentrum in Wien 10, Wien (unveröffentlicht) 

[5] Marent, Benjamin (2011): Partizipation als Strategie der Bewältigung der Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 36 (1):48-64


Quelle: ÖKZ 05/2021 (Jahrgang 62), Springer-Verlag

Verwandte Artikel
Bessere Versorgung durch verlaufs­be­zogene Onko­logie­register

Jährlich erkranken ca. 40.000 Menschen in Österreich an Krebs. ...

Notaufnahme mit Radbetten
Notaufnahme mit Radbetten
AUVA und SALK kooperieren für bessere Patienten­ver­sorgung

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und die Salzburger ...