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Weniger Todesfälle, eine bessere Medikamentendosierung – Telemonitoring von Gesundheitswerten senkt Sterberaten und verringert Spitalsaufenthalte. Vor allem chronisch Kranke profitieren durch höhere Lebensqualität.
Aufstehen, auf die Waage stellen, Blutdruck und Puls messen, die Werte übertragen und das persönliche Wohlbefinden ins Smartphone eingeben und abschicken. Diese tägliche Routine von etwa fünf Minuten kann herzkranken Menschen das Leben retten. Eine spezialisierte Pflegekraft erhält die Messwerte und beurteilt, ob der Zustand des Patienten im grünen Bereich liegt oder ob eine Verschlechterung oder gar eine unmittelbare Gefahr droht. In letzteren Fällen verständigt sie den Arzt, der entweder die Medikamente anpasst oder – sofern unvermeidlich – eine Krankenhausaufnahme veranlasst.
Die Kombination aus Telemonitoring und rascher Reaktionskette ist in Tirol seit 2012 bei herzkranken Patienten im Einsatz und wurde 2017 in die Regelversorgung aufgenommen. Bislang haben rund 800 Personen an dem Versorgungsprogramm HerzMobil Tirol teilgenommen. Die Ergebnisse sprechen für sich: „Im Verlauf eines Jahres konnte die Wahrscheinlichkeit zu sterben um 66 Prozent reduziert werden. Die Wiederaufnahmen ins Spital wurden innerhalb von sechs Monaten nach Entlassung halbiert“, erzählt Gerhard Pölzl, der ärztliche Leiter von HerzMobil Tirol.
Üblicherweise landen Menschen, die an einer Herzinsuffizienz leiden, immer wieder für mehrere Tage im Krankenhaus. Laut Pölzl muss jeder Vierte mit der Diagnose Herzinsuffizienz innerhalb eines Monats nach seiner Spitalsentlassung wieder aufgenommen werden. Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres nach der ersten Hospitalisierung zu sterben, liegt bei Menschen mit schwerer Herzschwäche bei durchschnittlich 20 bis 30 Prozent. Dafür gibt es mehrere Gründe: fehlende Adhärenz, suboptimale Medikamentendosierungen und das Unwissen der Patienten über den Umgang mit der Krankheit – sie erkennen Anzeichen für eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands nicht oder zu spät und versäumen ärztliche Kontrollen. „Besonders kritisch sind die ersten drei Monate nach der Entlassung“, weiß Pölzl.
Genau diesen Zeitraum überbrückt das Versorgungsprogramm HerzMobil. Durch die engmaschige telemedizinische Überwachung der Gesundheitswerte wie Blutdruck und Gewicht werden Veränderungen, die Hinweise auf eine Verschlechterung sein können, die der Patient aber nicht unbedingt bemerkt, sofort sichtbar. Das telemedizinische Versorgungsprogramm für Patienten mit Herzinsuffizienz wird (bisher) in Tirol und der Steiermark eingesetzt. Der Arzt kann dadurch rasch reagieren und die Medikation anpassen.
Je früher die richtige Therapie angewendet wird, desto effektiver. Ein großer Nutzen von Telemonitoring ist, dass man durch die Daten ein sehr gutes Feedback zu den Interventionen bekommt und auf dieser Basis ein Fine-Tuning beziehungsweise eine Therapieoptimierung vornehmen kann.
Ähnliche Vorteile nennt Anton Dunzendorfer, Leiter der Competence Unit „Digital Health Information Systems“ am AIT Austrian Institute of Technology: „Telemonitoring eignet sich vor allem für chronische Erkrankungen, bei denen ein regelmäßiger Kontakt mit dem Arzt notwendig ist und dem Mediziner ein aktueller Überblick über die Gesundheitsdaten bei der Therapieeinstellung hilft.“ Als Beispiele führt er Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, COPD oder Diabetes an. „Telemonitoring ermöglicht auch ohne physischen Kontakt eine optimale Betreuung und eine bessere medikamentöse Einstellung der Patienten, weil Ärzte zeitnah auf Messwerte reagieren können.“
Es macht das Leben von Patienten einfacher und führt zu mehr Lebensqualität. Vor allem in ländlichen Regionen mit größeren Distanzen zu Arztpraxen und Spitälern kann der Gesundheitszustand auch aus der Ferne professionell überwacht werden.
In seinem Bericht zur Diabetes-Prävention und -Versorgung spricht sich auch der Rechnungshof für Telemonitoring als sinnvolle und notwendige Ergänzung des bestehenden Behandlungsangebots aus: Patientenwege würden wegfallen, Wartezeiten in Ordinationen verringert und eine orts- und zeitunabhängige Kommunikation zwischen Erkrankten und Ärzten ermöglicht werden, heißt es in dem Bericht des Kontrollorgans.
Was bedeutet Telemonitoring nun für Ärzte? Bringt es eine Entlastung oder einen Mehraufwand? „Die engmaschige Kontrolle der Messwerte ist mit einem geringen Aufwand verbunden. Der Arzt kann innerhalb weniger Minuten abschätzen, ob es dem Patienten gut oder schlecht geht“, erzählt Pölzl. Im Fall von HerzMobil wird die Datenkontrolle innerhalb des Betreuungsnetzwerks auf Pflegekraft und Netzwerkarzt aufgeteilt, wobei die tägliche Kontrolle von der Pflegekraft wahrgenommen wird.
Eine wichtige Rolle spielt aber auch der Patient selbst, Stichwort Patient Empowerment. „Beim Telemonitoring müssen die Patienten intensiv geschult werden und einen Teil des Disease Managements übernehmen wollen und können“, erklärt Ettl von der Österreichischen Plattform für Patientensicherheit. Sie fordert daher einfache technische Systeme, am besten zugeschnitten auf unterschiedliche Altersgruppen.
Dem Arzt obliegt es laut Ettl zu beurteilen, ob ein Patient für Telemonitoring geeignet ist oder nicht. „Manche Menschen macht es auch nervös, wenn sie ihre Gesundheitswerte regelmäßig erfassen müssen.“
Wie praktisch wäre es also, wenn der Patient selbst gar nichts mehr tun müsste und seine Werte wie Blutdruck, Blutzucker oder Sauerstoffsättigung von einem zugelassenen Medizinprodukt vollautomatisch erfasst und an einen Experten übermittelt werden. Ein solches „vollautomatisches Telemonitoring“, wie es Dunzendorfer nennt, ist jedoch noch Zukunftsmusik. Zwar gibt es beispielsweise bei Herzschrittmachern, bei denen Sensoren implantiert sind, schon ausgereifte Lösungen. Bei nicht implantierbaren Sensoren stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die automatisiert übertragenen Daten in einem geregelten Behandlungspfad berücksichtigt werden können. „Die bewusste Mitwirkung der Patienten, die bei Herzschwäche oder Diabetes gewünscht ist, würde hier verloren gehen“, erklärt Dunzendorfer. Die aktive Einbindung von Patienten und Experten im Sinne eines Closed-Loop-Healthcare-Ansatzes beim Telemonitoring hält er für sehr zielführend.
Quelle: ÖKZ 11/2021, 62. Jahrgang, Springer-Verlag.