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Ältere Kollegen erinnern sich noch an die Zeiten, als man einige Jahre auf einen Turnusplatz wartete und – wenn man ihn hatte – bereit war, nahezu alles zu tun und rund um die Uhr zu arbeiten, um sich mit viel Einsatz nach oben zu kämpfen. Heute scheint es genau umgekehrt: Junge wie auch ältere Mediziner können sich ihren Arbeitsplatz aussuchen, Werte verschieben sich und Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit gewinnen einen immer größer werdenden Einfluss auf den Wettbewerb am „Arbeitsmarkt Medizin“. Work-Life-Balance, die Möglichkeit einer sinnvollen Arbeit und Zeit für Patienten, sich fachlich entwickeln zu können und das Teamklima bestimmen insbesondere bei der jüngeren Generation in hohem Maße die Arbeitsplatzwahl. Darauf rechtzeitig zu reagieren, kann die Zukunftsfähigkeit von Gesundheitseinrichtungen nachhaltig beeinflussen.
In einer Befragung der Treatfair GmbH gemeinsam mit dem Karl Landsteiner Institut für Human Factors & Human Resources und health care communication von Jänner bis März 2021 wurden die Einflussfaktoren auf die Attraktivität von medizinischen Abteilungen als Arbeitsplatz sowie die Schlüsselfaktoren der Arbeitszufriedenheit bei angestellten Medizinern erfasst. In die Auswertungen sind die Antworten von 3.515 angestellten Ärzten aller Fachrichtungen aus Deutschland und Österreich einbezogen.
Dabei zeigte sich die Qualität der Patientenversorgung als ein besonders einflussnehmender Faktor: Die Wahrscheinlichkeit, sehr zufrieden mit der Arbeitsstelle zu sein, ist unter Teilnehmern, die mit der Qualität der Patientenversorgung zufrieden sind, 8,9-mal so hoch wie unter Teilnehmern, die mit der Qualität der Patientenversorgung nicht zufrieden sind (Abb. 1). Dies ist als besonders bedeutsam einzuschätzen, weil es in den meisten Studien zur Arbeitszufriedenheit unter Klinikärzten [Körber (2017), Ulrich (2017) und Hiemisch (2017)] keine Berücksichtigung findet.
Den mit Abstand höchsten Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Qualität der Patientenversorgung zeigen die Daten beim Faktor Zeit, die für den einzelnen Patienten zur Verfügung steht.
Als starke Einflussfaktoren für die Gesamtzufriedenheit von Mitarbeitern an einer Abteilung wurden von den Befragten weiters die „Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben“ und eine „hohe Wertschätzung am Arbeitsplatz“ angeführt. Werden diese Faktoren als erfüllt erlebt, zeigt sich eine 5,3-mal bzw. 4,8-mal so hohe Wahrscheinlichkeit, sehr zufrieden mit der Arbeitsstelle zu sein (Abb. 1).
Ebenfalls zeigt sich, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben neben der erhöhten Gesamtzufriedenheit auch als positiver einflussnehmender Faktor auf die eigene Gesundheit eingeschätzt wird. Dieser positive Zusammenhang scheint nachvollziehbar, ist doch bekannt, dass Menschen in Berufen mit hoher Arbeitsbelastung ein erhöhtes Risiko für Burnout-Erkrankungen haben [Deutsches Ärzteblatt 2004 101(33)]. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Forderungen an Teilzeitarbeit und alternative Arbeitszeitmodelle ist eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ein zentraler Bestandteil der Strategien zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und attraktiveren Gestaltung des Arbeitsplatzes Krankenhaus.
Ähnliche starken Einfluss hat die wahrgenommene Wertschätzung am Arbeitsplatz seitens der Kollegen und der Führungskraft. Diese steht in engem Zusammenhang mit dem Erleben von „flachen Hierarchien“, welches vor allem soziale Aspekte umfasst. In den Freitextantworten zeigte sich, dass unter „flacher Hierarchie“ insbesondere eine Kommunikationsbasis auf Augenhöhe (z.B. „stets ein offenes Ohr“, „Ideen werden wertgeschätzt“, „frühe Einbindung in Entscheidungen“, „Nähe zur Führung“) und eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre (Beispiele: „kollegiale Arbeitsatmosphäre“, „sehr wertschätzendes Miteinander“, „Rücksichtnahme“, „faire Behandlung“, „familiäres Klima“) verstanden werden. Dies zeigte sich auch in der statistischen Auswertung, in der eine starke Korrelation zwischen dem Erleben von flachen Hierarchien und einer positiven Einschätzung von Arbeitsatmosphäre, Wertschätzung, Kommunikation, Fairness und Selbstbestimmung signifikant war. Je positiver diese Faktoren eingeschätzt wurden, desto höher war wiederum die Wahrscheinlichkeit einer hohen Gesamtzufriedenheit (Abb. 2).
Da diese Elemente einer Abteilungskultur in hohem Maße durch die Führungskraft beeinflusst werden, zeigen diese Daten auch die besondere Bedeutung der Führung für die Gesamtzufriedenheit der angestellten Ärzte an einer Abteilung.
Generell zeigt sich in der Befragung, dass jüngere Mediziner (unter 40) die Gesamtsituation kritischer beurteilten als ihre älteren Kollegen. Die Erwartungen an einen Arbeitsplatz haben sich deutlich verändert. Dies unterstreicht auch eine Untersuchung von R. Kasch et. al. (2016) über die Prioritäten von über 9.000 Medizinstudenten, in der Work-Life-Balance, Karrieremöglichkeiten, fachlicher Anspruch und Betriebsklima geschlechtsübergreifend als besonders wichtige Parameter hervorgehoben werden.
Auch in der von uns durchgeführten Befragung zeigt sich klar, dass neben Rahmenbedingungen und Organisation vor allem Führungskompetenzen, welche insbesondere soziale Faktoren und emotionale Mitarbeiterbindung umfassen, entscheidende Komponenten darstellen, welche die Mitarbeiterzufriedenheit und die Attraktivität einer medizinischen Abteilung als Arbeitsstätte determinieren.
Die erlebte soziale Unterstützung durch Vorgesetzte kann berufliche Belastungen reduzieren, was sich wiederum im Sinne eines kybernetischen Regelkreises positiv auf die Betreuungsqualität in den jeweiligen Einrichtungen auswirkt [Theorell & Karasek (1996), De Jonge, Bosma, Peter & Siegrist (2000), Schaufeli, Bakker & Van Rhenen, (2009)].
Führungskräfte von heute sind gefordert, eine neue Art von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu managen. Dies erfordert zeitgemäße Formen der Kompetenzentwicklung, die Nutzung der Potenziale von spezifischen Trainings, aber auch innovative Methoden bei nichtfachlichen Themen. Kombiniert mit begleitenden Wirksamkeitsüberprüfungen sind dies effiziente Möglichkeiten, die Situation für Ärztinnen und Ärzte bedeutsam zu verbessern, was sich in der Konsequenz auch auf die Qualität der Versorgung von Patienten auswirkt.