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Es ist zweifelsfrei, dass die Radiologie aufgrund ihrer apparativen und technischen Infrastruktur das Potenzial einer sehr breiten Implementierung telemedizinischer Leistungen mit sich bringt. Allerdings enthalten derartige Entwicklungen auch das Potenzial disruptiver Veränderungen für dieses in der modernen Medizin so zentrale Fach.
Die enormen technischen Entwicklungen in der Radiologie haben den Anspruch an dieses Fach deutlich erhöht. Radiologinnen und Radiologen beurteilen immer mehr Daten für immer mehr Patientinnen und Patienten zu immer spezifischeren Fragestellungen in immer kürzerer Zeit. Hinzu kommt, dass der Bedarf an radiologischen Fachkräften gestiegen ist und am Arbeitsmarkt dieser Bedarf mittlerweile bei Weitem nicht mehr gedeckt ist. Die bereits einsetzende Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge lassen hier auch in Zukunft keine Entspannung der Situation erwarten.
Es ist nicht weiter erstaunlich, dass sich sehr innovative digitale Geschäftsmodelle in der Radiologie entwickeln, die sich der Teleradiologie bedienen. Es werden bereits sogenannte Marktplätze für radiologische Befunde angeboten. Krankenhäuser, die einen radiologischen Befund brauchen, laden ihre Bilder in die Cloud hoch. Der Auftrag wird durch einen Vermittler (inklusive Vermittlungsgebühr) an eine radiologische Fachkraft weitergeleitet. Diese erstellt einen radiologischen Befund und stellt diesen der Klinik in Rechnung.
Derzeit haben in Österreich mehrere Gesetze und Verordnungen Einfluss auf teleradiologisch durchgeführte Tätigkeiten, wie Ärztegesetz, DSGVO, Medizinische Strahlenschutzverordnung (MedStrschVO), Gesundheitstelematikgesetz (GTelG) und das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG). Der Einsatz der Teleradiologie ist zumindest bei Verwendung von ionisierenden Strahlen durch die medizinische Strahlenschutzverordnung derzeit klar geregelt. So sind dabei nur in speziellen Fällen teleradiologische Anwendungen erlaubt, nicht jedoch im Routineeinsatz während der Regelarbeitszeit.
Aus Sicht der Patientinnen und Patienten ist eine umfassende Aufklärung vor Durchführung der Untersuchung, welche teleradiologisch befundet werden soll, zu gewährleisten, wo ihre Untersuchung befundet wird und von welcher Person. Sollte die Teleradiologie im Rahmen eines Krankenhausverbundes durch Ärztinnen und Ärzte derselben Betreibergesellschaft erfolgen, kann auf die detaillierte Aufklärung verzichtet werden.
Betreffend die Problematik der im Ärztegesetz festgeschriebenen Unmittelbarkeit der ärztlichen Tätigkeit gibt es zahlreiche Gutachten mit zum Teil unterschiedlichen Rechtsansichten. Eine klare Linie sollte hier gefunden werden. Aus Sicht der Bundesfachgruppe Radiologie und der Österreichischen Röntgengesellschaft sollte die Ärztin oder der Arzt, die/der einen Befund teleradiologisch erstellt, jedenfalls Mitglied einer der neun Landesärztekammern sein, damit ist auch die Eintragung in die österreichische Ärzteliste verbunden. Auf diesem Weg lässt sich sicherstellen, dass die teleradiologisch tätig werdende Person über die nötige fachliche Qualifikation und gesetzlich vorgeschriebenen Fortbildungen verfügt, sowie im niedergelassenen Sektor über eine Berufshaftpflichtversicherung.
Standespolitisch ist in diesem Zusammenhang auch die Beitragszahlung zur Ärztekammer und die im niedergelassenen Bereich wichtige Dotierung des Wohlfahrtsfonds anzuführen. Bei im Ausland teleradiologisch tätigen Personen entfallen diese Solidarbeiträge.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Regelung des Datenschutzes. Die Teleradiologie muss sämtliche Bestimmungen der DSGVO erfüllen. Sollte die Befundung im Ausland erfolgen, ist strengstens darauf zu achten, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung der Patientinnen und Patienten einschließlich der Art der Befundung erfolgt und ein Einverständnis der zu behandelnden Person eingeholt wird. Befundungen in Staaten, in denen die europäische DSGVO nicht zur Anwendung gelangt, sind gesondert zu regeln.
In Niederösterreich wurden die Grundlagen für den Bilddatenaustausch innerhalb des Bundeslandes bereits im Jahr 2005 mit der Anbindung aller NÖ Krankenanstalten an das Wide Area Network (WAN) mit dem Namen NÖMED WAN eingerichtet. Damit war es auch möglich, den Bilddatenaustausch innerhalb der niederösterreichischen, vom Landesfond finanzierten Krankenanstalten auf Basis des internationalen Standards DICOM zu etablieren.
Ein weiterer Schritt erfolgte im Jahr 2008 durch die Verbindung von NÖMED WAN mit dem Gesundheitsdatennetz „Healix“, welche den Grundstein für den Bilddatenaustausch mit Krankenanstalten anderer Bundesländer und mit dem extramuralen Bereich legte.
NÖ war das erste Bundesland, welches die Umsetzung von eHealth-Projekten auf Basis internationaler Standards durchgeführt hat. Durch die Erweiterung der international standardisierten Plattform NÖBIS war es ab dem Jahr 2011 möglich, hausübergreifende Befundungen durchzuführen. Damit ist es der damaligen NÖ Landeskliniken-Holding, heute NÖ Landesgesundheitsagentur (NÖ LGA), gelungen, ein Teleradiologie-Konzept zu entwickeln, welches die Abwicklung teleradiologischer Leistungen innerhalb des Krankenhausverbunds ermöglicht.
Dieses niederösterreichische Konzept bietet sehr kostengünstig und ohne den Umweg über die sogenannte Cloud oder über teure, größtenteils im Ausland befindliche Teleradiologie-Anbieter eine optimale radiologische Versorgungsqualität für all jene Krankenanstalten in NÖ, die über keine 24/7 Radiologie verfügen. Die Diagnostik von akuten Erkrankungen oder von Polytrauma Patientinnen und Patienten kann vor Ort erfolgen, unnötige Transportrisiken werden vermieden und es kann ohne Zeitverzögerung mit der Therapie begonnen werden. Es kann auch bereits vor Ort entschieden werden, ob ein Transfer der Patientin bzw. des Patienten an ein Spezialzentrum notwendig ist, z.B. im Rahmen einer spezifischen Schlaganfallbehandlung (Telestroke-Unit-Konzept).
Das Institut für medizinische Radiologie und Intervention des Universitätsklinikums St. Pölten (UKP) ist seit dem Jahr 2001 in die teleradiologische Befundung von NÖ Kliniken eingebunden, welche außerhalb der Regelarbeitszeit keine Radiologin oder keinen Radiologen im Dienst haben. Die Mehrleistung des Instituts konnte durch die Etablierung eines zusätzlichen radiologischen Nachtdienstes im Jahr 2011 bisher gut bewältigt werden, wenngleich die Fallzahlen der teleradiologischen Befundungen von Jahr zu Jahr deutlich angestiegen sind. Durch das radiologische Institut des UKP wurden im Jahr 2001 416 teleradiologische Leistungen erbracht, im Jahr 2010 waren es 2.500, im Jahr 2015 3.626 Leistungen und im Jahr 2019 wurden bereits 4.485 teleradiologische Leistungen verbucht.
Aufgrund der hohen Anzahl an eingehenden Anforderungen und der damit verbundenen zusätzlichen Belastung der Nachtdienstmannschaft wurde in Zusammenarbeit aller Beteiligten der NÖ LGA eine Neustrukturierung der teleradiologischen Versorgung festgelegt. Diese sieht neben einer regionalen Zuteilung der zu versorgenden Kliniken auch eine finanzielle Abgeltung der teleradiologischen Befundungen an die Radiologinnen und Radiologen vor, die im Nachtdienst diese Zusatzleistungen erbringen.
Dieses Konzept ermöglicht, dass in der NÖ LGA keine radiologischen Untersuchungen über externe Anbieter oder Cloudlösungen befundet werden müssen und auch keine Konflikte bezüglich rechtlicher Aspekte der Teleradiologie vorliegen. Zudem kann der regional oder zeitlich begrenzte Mangelzustand der radiologischen Versorgung kompensiert werden. Das radiologische Leistungsangebot erstreckt sich somit auch in entlegene Regionen insbesondere für die Notfallversorgung auf 24 Stunden/Tag, 365 Tage im Jahr. Patiententransporte werden reduziert und es kommt zu keiner Verzögerung der Diagnostik bei potenziell interventionsbedürftigen Erkrankungen.
Für die in der teleradiologischen Befundung tätigen Radiologinnen und Radiologen besteht die Möglichkeit der Kommunikation und Interaktion mit dem vor Ort tätigen technischen Personal und mit klinischen Kolleginnen und Kollegen, von welchen die Anforderung kommt. Dadurch wird auch der negative Einfluss auf die Methodenwahl und der negative Einfluss auf die Untersuchungsstrategie reduziert (z.B. gezielte Untersuchungsprotokolle statt Standardprotokolle).
Dieses NÖ-Teleradiologie-Konzept bietet die Chance, das Sonderfach Radiologie weiterhin attraktiv zu halten und die Ausbildung des radiologischen Nachwuchses zu sichern. Denn die radiologische Leistung ist komplex und wesentlich breiter gefasst als die alleinige Untersuchung und Befunderstellung. Die radiologische Leistung beinhaltet ebenso die Indikationsprüfung mit Rechtfertigung der Untersuchung und die Berücksichtigung von Vorerkrankungen und Vorbefunden im engen Zusammenwirken mit klinischen Disziplinen. Kooperative Behandlungskonzepte weisen der Radiologie auch eine wesentliche Funktion im Rahmen von Tumorboards und weiteren interdisziplinären Konferenzen zu. Das Berufsbild der Radiologie entwickelt sich immer mehr von der Befunderstellung hin zu einer zentralen Drehscheibe der Informationsvermittlung und Entscheidungsfindung in Behandlungsprozessen.
Zur Sicherstellung der radiologischen Versorgung auch in der Zukunft sollte die Teleradiologie durchaus als integraler Bestandteil der radiologischen Versorgung in Österreich angesehen werden. Zukünftige Entwicklungen sollten die Einbindung und Kooperation mit extramuralen Radiologinnen und Radiologen stärker berücksichtigen sowie die Errichtung eines radiologischen Telekonsil-Netzwerkes für ganz Österreich umfassen, um bei speziellen Fragestellungen Expertenwissen verfügbar zu machen. Auch die Schaffung von Homeoffice-Modellen als zukünftige Arbeitsmöglichkeit kann zu einer weiteren Attraktivierung und Sicherstellung der radiologischen Versorgung beitragen.
Mit dem NÖ-Teleradiologie-Konzept wurden bereits wesentliche Meilensteine für die Sicherstellung der radiologischen Versorgung in Zukunft gesetzt. Mit der Verbindung von NÖMED WAN und dem Gesundheitsdatennetz Healix bestehen schon jetzt die technischen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des in der modernen Medizin so zentralen Fachs der Radiologie.
Quelle: QUALITAS, 01/2022, Springer-Verlag.