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Der Einsatz von Drohnen zum Transport von Blutkonserven oder Medikamenten steht kurz vor seiner Alltagstauglichkeit. Das letzte Hindernis für die geflügelten Gesundheitstransporter liegt in der Bürokratie.
Das Universitätsklinikum in Düsseldorf zählt zu den modernsten seiner Art. Eingezwängt zwischen dem Uedesheimer Rheinbogen und der Asphaltschneise der vollgestauten Witzelstraße, einer der östlichen Ausfallstraßen der Rheinmetropole, verstreuen sich die zahllosen Institute und Bettenhäuser der UKD, wie die Uniklinik von den Nachbarn genannt wird. 40 Hektar komprimierte Technologie und Schulmedizin machen die Uni-Klinik zum medizinischen Zentrum des Ruhrgebiets.
Logistisch ist das dichtgedrängte Spitaldorf mit seinen vielen Bauten ein Alptraum. Es braucht ein dichtes Wegenetz, um den internen Transport zwischen den Gebäuden zu organisieren. Die Lösung wurde unterirdisch gefunden: Das Gelände ist weitgehend untertunnelt. Selbststeuernde Wagentransporter und eine Rohrpostanlage sorgen auf Kellerniveau für den nötigen Güteraustausch. Aber nichts ist perfekt: Nicht alle Gebäude sind an die Rohrpostanlage angeschlossen, so auch die Zentralapotheke.
„Eine Erweiterung der bestehenden Anlage um die Apotheke wäre viel zu teuer, deshalb haben wir über innovative Lösungsansätze zur Optimierung logistischer Abläufe nachgedacht“, erklärt Christina Westhoff, Leiterin der Zentralapotheke am Uniklinikum.
Konkreter Anlassfall war der tägliche Transport der speziell zusammengemischten Nährstofflösung für Frühchen. Um sie möglichst rasch zur Kinderstation bringen zu können, liefert man sie im Normalfall per Kurierdienst – eine Lösung, die teuer und unflexibel ist. In Zukunft sollen diese Aufgabe Drohnen übernehmen. In Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkbetreiber Vodafone entstand die Idee, ein spezielles Projekt auszusetzen: Kleine Quadrocopter sollen die nahrhafte Fracht in der Säuglingsstation abliefern. Zum Einsatz kommt eine 5G-vernetzte Drohne, die die 450 Meter Luftlinie in knapp 40 Sekunden zurücklegt und sicher – inklusive Ware – am begehbaren Dach der Kinderklinik landet. Die frisch angerührte Frühchennahrung wird von einer Krankenschwester in Empfang genommen und auf die Station gebracht.
„Wenn wir den Kurierdienst beauftragen, ist der administrative Aufwand deutlich höher und insgesamt dauert es natürlich länger“, erläutert Westhoff.
Rund eine Stunde habe man sich durch den Einsatz der unbemannten Flugobjekte erspart. Dank 5G und somit Echtzeit-Netz wird ein derartiger Flug komplett autonom durchgeführt. Eine manuelle Steuerung der Drohne ist nicht mehr nötig. „5G reagiert so schnell wie das menschliche Nervensystem, übermittelt Positionsdaten der Drohnen und erhöht die Sicherheit im Flugverkehr“, ergänzt Vodafones Innovationschef Michael Reinartz.
Der Krankenhausalltag ist ein ständiges Wechselspiel von Routine und Notfallszenarien. Letztere sind nicht nur zeitkritisch, sie erfordern auch rasche und effiziente logistische Abläufe, damit Medikamente und Blutkonserven an Ort und Stelle sind, wo sie gebraucht werden. Drohnen entwickeln sich zur digitalen Alternative: Die Botengänger der Lüfte kommen immer dann ins Spiel, wenn es um schnelle und leichte Transporte geht, das Gelände mit traditionellen Verkehrsmitteln nicht oder nur schwer überwunden werden kann oder der Transport schlichtweg zu lange dauern würde.
Das Österreichischen Rote Kreuz ist vom Drohneneinsatz inzwischen überzeugt. „Beim ÖRK verwenden wir Drohnen schon seit Jahren“, erzählt Frank Jelinek, Stabschef im Bundeskommando des ÖRK. Die leichten Flugkörper werden zur Lageerhebung nach Unfällen oder zur Personensuche eingesetzt. Im vergangenen Jahr nahm erstmals eine Drohne ihren Jungfernflug zum Transport von Blutkonserven auf. Geflogen wurde mit einer Drohne, die von der Rotkreuzbezirksstelle Lilienfeld zum nahegelegenen Landesklinikum fliegen sollte. Jelinek kommt fast ins Schwärmen.
„Im Transportbehälter waren fünf Blutkonserven und Kühlakkus. Die Drohne hat nur wenige Minuten gebraucht, um die Proben sicher zum Krankenhaus zu liefern.“
Auch die Kühlung habe gut funktioniert. Eine Drohne dieser Bauart – eingesetzt wurde eine Falcon B der Firma EHang – kann mit knapp 80 km/h fliegen. Der Zeitgewinn ist dadurch relevant. Jelinek ist sich sicher, dass die Lieferung von Blutkonserven mittels Drohnen Zukunft hat. Die wirklich ernsthaften Probleme seien eher administrativer Natur. 220 Seiten umfasst das Schriftstück, das für den Antrag dieses Testdrohnenflugs verfasst werden musste. „In diesem Fall ist man rechtlich eher bei der bemannten Luftfahrt und nicht bei der bemannten Bodenfahrt angesiedelt“, erklärt er den großen Aufwand bei der Beantragung des Testflugs.
Wie, wann und ob eine Drohne überhaupt fliegen darf, wird im europäischen Drohnen-Regulativ festgelegt. Damit werden die nationalen Gesetze zu unbemannten Luftfahrzeugen EU-weit vereinheitlicht. Im Wesentlichen deckt das Regulativ den Hobby- und kommerziellen Bereich ab. Einsatzzwecke im Auftrag von Rettungsdiensten oder des Katastrophenschutzes werden derzeit kaum berücksichtigt. Für Jelinek sind jedoch Ausnahmeregelungen so wie bei Blaulicht-Bodenfahrten unverzichtbar. Dazu könnten z.B. eigene Korridore in der Luft festgelegt werden, in denen Drohnen im öffentlichen Auftrag sicher fliegen dürfen und so dem regulären Flugbetrieb nicht in die Quere kommen.
Speziell bei Krankenhäusern mit einem Hubschrauberlandeplatz ist das ein wichtiges Thema, gibt er zu bedenken. Genau aus diesem Grund habe man sich für die ersten Testflüge ein Krankenhaus im ländlichen Bereich ohne Hubschrauberlandeplatz suchen müssen. Die ursprüngliche Idee, Blutkonserven von der Wiener Blutspendezentrale ins AKH zu fliegen – 3 Kilometer Luftlinie quer über die Stadt – war in Sachen Genehmigung durch die Austro Control ein Ding der Unmöglichkeit.
„Ich glaube, das größte Problem liegt auf absehbare Zeit in Österreich beim autonomen Betrieb von Drohnen über bewohnten Gebieten“, ist sich Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien, sicher. Hier brauche es definitiv eine Gesetzesänderung, ist der Logistikexperte überzeugt. „Der Testflug hat gezeigt, dass Drohnenflüge für den Blaulicht-Einsatz machbar sind. Jetzt braucht es aber Anpassungen im österreichischen Luftfahrtgesetz“, ergänzt Jelinek.
Drohnen sollten im besten Fall autonom fliegen, das braucht andere Richtlinien als bei einem Hubschrauber und natürlich auch neue Sicherheitskonzepte, die es noch nicht gibt und die erarbeitet werden müssen. „Alles, was fliegt, kann runterfallen“, bringt es Kummer auf den Punkt. Er könne sich aber vorstellen, dass dieses Problem mit Sensoren gelöst werden könnte und im Falle eines Absturzes die Drohnen auf freie Flächen fallen.
Eine gute Gesprächsbasis habe man hierzulande bereits mit der Austro Control, die Drohnenflügen für Versorgungszwecke wohlwollend behandelt, fasst Jelinek erste Verhandlungen mit der Behörde zusammen. Das Ziel ist, in der Luft nicht unsicherer zu werden und langfristig das große Potenzial unbemannter Drohnen bei der Versorgung mit Medikamenten oder Blutkonserven zu nutzen.
Dass Drohnen die Gesundheitslogistik weiterentwickeln können, haben zahlreiche Jungfernflüge bewiesen. Dabei ist der Lufttransport nicht das Problem: Sensoren schützen die Drohnen vor Kollisionen. Heute müssen die Blutkonserve oder die Medikamente von einer Person in Empfang genommen werden, aber es gibt schon einige Projekte zur automatischen Abgabe oder Annahme von Drohnensendungen, erzählt Logistikexperte Kummer. Etwas nachdenklich stimmt ihn die fehlende Akzeptanz der Bevölkerung in puncto Drohnenflügen. „Man muss der Bevölkerung immer den Nutzen klarmachen. Dann akzeptiert sie die Beeinträchtigung“, ist sich der WU-Professor sicher.
Kummer sieht den Einsatzbereich von Drohnen in naher Zukunft daher eher in Bergregionen, um entlegene Gebiete zu versorgen oder eilige Sachen wie Organe oder Blutplasma zu transportieren. Eine flächendeckende Versorgung der Apotheken mit Medikamenten durch ihre Großhändler sieht er auch in Zukunft nicht. Nicht ganz außer Acht lassen darf man auch das Wetter, denn wenn es schlecht ist, etwa Sturm, kann die Drohne nicht fliegen.
Im Ruhrgebiet will man drohnenmäßig am Ball bleiben. „Die Prüfung der technischen Durchführung war positiv, einige Hindernisse wie Fluggenehmigungen oder ähnliches stehen noch im Weg. Das soll uns aber nicht aufhalten, dieses Projekt in Zukunft weiterzudenken“, bleibt man am Uniklinikum Düsseldorf optimistisch.
Ähnlich positiv ist die Einschätzung des ÖRK. Die notwendigen sicherheitstechnischen Adaptierungen der Drohnen sieht Franz Jelinek in den nächsten zwei Jahren als abgeschlossen. Wichtig ist seiner Meinung nach die Entwicklung klassischer Business Cases, vor allem für den städtischen Bereich, um deutlich zu zeigen, wo man durch den Einsatz von Drohnen einen zeitlichen Vorsprung lukrieren kann.
Quelle: ÖKZ, 63. JG, 12/2022, Springer-Verlag.
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