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Sie heißen Care-o-bot, Paro oder ChihiraAico. Roboter übernehmen immer mehr Aufgaben in der Pflege. Dabei treffen ethische Fragen auf Personalnot: Dürfen Automaten zum emotionalen Partner von pflegebedürftigen Menschen werden?
Wie so oft in der Industriegeschichte übernahm die Automobilindustrie die Rolle des Barrierebrechers. 1961 setzte General Motors erstmals Automaten für Arbeiten wie Schweißarbeiten, Montieren und Kleben ein. Ab Mitte der 1980er-Jahre tauchen Roboter in der Pflege auf. Sie unterstützen Menschen beim Essen, Trinken und Baden, heben sie aus dem Bett, holen Gegenstände, melden Stürze und dienen zum Kuscheln. Möglich macht das ein stetig weiterentwickeltes Zusammenspiel aus Videokameras, Sensoren, Touchscreens, Bewegungs- und Sprachsteuerung. Einen deutlichen Schub erlebte die Robotik in den vergangenen zehn Jahren durch den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz: Die Automaten lernen selbstständig aus neuen Daten.
Pflegeroboter werden immer menschenähnlicher. „ChihiraAico“ sieht wie eine 32-jährige japanische Frau aus. Der Automat spricht und hört. Doch es ist ruhig geworden um die Toshiba-Entwicklung. Letzte Medienberichte gibt es aus dem Jahr 2015. So richtig Fuß fassen konnte sie nie. Anders die Roboterrobbe PARO. Sie hat weißes Fell, ist ungefähr 60 Zentimeter lang, kann auf menschliche Sprache mit Robbenlauten reagieren und Augen und Kopf bewegen.
PARO ist schon seit einigen Jahren z.B. im Haus Hetzendorf des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser im Einsatz. Sogar eine Stellungnahme der Bioethikommission aus dem Jahr 2018 gibt es: „Aus ethischer Sicht stellt sich das Problem der Täuschung von Menschen, die meinen, es mit einem echten Begleiter zu tun zu haben. Andererseits zeigte sich in mehreren empirischen Studien, dass Personen Roboter, die emotionales Feedback geben, gegenüber solchen, die sich ‚neutral‘ verhielten, bevorzugten … Dabei ist der Unterhaltungswert sozialer Roboter gewiss nicht zu unterschätzen.“
Iris Kohlfürst ist Professorin für Ethik in der Sozialen Arbeit an der FH Oberösterreich. Sie sagt dazu: „Bei PARO könnte man noch zur Diskussion bringen, ob es ethisch vertretbar ist, lebende Tiere wie Hunde einzusetzen, die trotz Einhaltung der entsprechenden Vorschriften von der Arbeit überfordert sein könnten, was ein Roboter nie ist.“
Irmtraud Ehrenmüller ist Professorin am Department Gesundheits-, Sozial- und Public Management an der FH Oberösterreich. Ihr Anliegen ist es, die Robotik sinnvoll in der Pflege einzusetzen. „Ein Ansatz, der nicht unter assistiver Robotik wahrgenommen wird, aber de facto zur Pflege gehört, ist die Verblisterung von Medikamenten“, so Ehrenmüller. Bei der Verblisterung portioniert und verpackt ein Automat die verordneten Medikamente eines Patienten in individuelle durchsichtige Verpackungen (Blister). „Dies wird bereits in einigen österreichischen Apotheken angeboten“, so Ehrenmüller. Dies verringere die Fehlerquote und spare Zeit bei der Medikamentenausgabe, die für die Betreuung der Patienten genutzt werden könne.
Andere Systeme, die tatsächlich die Leistungsprozesse von Pflegekräften unterstützen könnten, wie Transport und Reinigungstätigkeiten, würden für den Einsatz im Pflegebereich noch lange nicht ausgereift sein. Das trifft beispielsweise auf diverse autonome mobile Roboter zu, die Medikamente, Laborproben oder Mahlzeiten transportieren. Vollgepackt mit Sensoren, Kameras und KI erfassen sie die Umgebung und navigieren selbstständig durch ihre Umgebung. „Wenn ein Roboter, der den Essenswagen autonom bringt, bei einem Zentimeter Niveauunterschied im Lift hängen bleibt, dann muss die Pflegekraft wieder mit anpacken und wird aus dem empathischen Pflegeprozess herausgerissen“, sagt Ehrenmüller.
Im 2021 überarbeiteten Ethikkodex für die Pflege wird festgehalten, dass sich die Pflegefachpersonen mit dem Einsatz von Technologien in der Pflege auseinandersetzen sollen. Es müsse sichergestellt werden, dass Technik nicht zum Schaden der ihnen anvertrauten Personen wird. Pflege soll weiterhin personenzentriert bleiben. Die österreichische Bioethikkommission sieht den Handlungsbedarf in der Evaluierung und Entwicklung von Robotern und schreibt 2018: „Wir wissen sehr wenig darüber, wie (soziale) Roboter in realen Situationen … von älteren Menschen erfahren und genutzt werden, weil es dazu kaum Studien gibt. So sind viele der Überlegungen zu dem, was geschehen wird, wenn soziale Roboter sich aus den Labors hinaus in unser Leben bewegen, Spekulation.“
Der deutsche Ethikrat konkretisiert: „Bereits in frühen Phasen der Entwicklung von Techniken sollten ethische Überlegungen einfließen.“
Auch aus der europäischen Robotikindustrie kommen erste Ansätze. In der Good Work Charta wird festgehalten, dass sich der technische Fortschritt in der Service- und Industrierobotik am Wohlergehen des Menschen orientieren solle. Roboter sollen dem Menschen assistieren, nicht umgekehrt. So hätten die Menschen mehr Zeit, sich sozialen und kreativen Tätigkeiten zu widmen. „Es scheint manchmal schwer verständlich, dass ethische Aspekte in der Entwicklung bisher offenbar nicht umfassend mitbedacht wurden, und es ist an der Zeit, dies zu ändern“, sagt Kohlfürst.
Im Caring Robots Projekt an der TU Wien sollen in Fallstudien alle möglichen Pflegesituationen, von institutioneller bis hin zu mobiler Pflege und 24-Stunden-Pflege zu Hause, in die Entwicklung von Pflegerobotern einbezogen werden. Dazu schreibt der Projektleiter Markus Vincze vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien: „Verantwortungsvolle Robotik beginnt bereits in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Ethische Bedenken, die in wissenschaftlichen und öffentlichen Debatten über gesellschaftliche Werte wie Sicherheit, Schutz, Wohlbefinden und Privatsphäre geäußert werden, verdienen von Anfang an Beachtung bei Robotikprojekten.“
In Linz gehen Ehrenmüller und ihr Team ebenfalls neue Wege. Nicht die zu Pflegenden selbst sollen mit Robotik unterstützt werden, sondern das Pflegepersonal soll so gut wie möglich entlastet werden. In einem Living Care Lab, das reale Bedingungen in einem Pflegeheim simuliert, sollen neue Robotiklösungen getestet werden.
Kohlfürst ergänzt: „Uns ist es wichtig, dass nicht über Leute geforscht wird, sondern gemeinsam mit ihnen, und dass es auch in einem Lab passiert und nicht direkt in einem Pflegeheim. Bewohner und Pflegefachpersonen dürfen nicht zu ‚Versuchskaninchen‘ werden.“
Das Ziel, so Ehrenmüller: „Erst wenn bewiesen ist, dass sie technisch funktionieren, die Pflegepersonen einen Nutzen haben, bei Einführung Schulungskomponenten beinhaltet sind, man diese Lösung auch akzeptieren kann und wenn geprüft ist, dass auch rechtlich und ethisch alles passt, sollen sie für einen realen Einsatz freigegeben werden.“ Es ist noch Luft nach oben in der Entwicklung der Robotik für die Pflege. „Ich denke, dass sich die Last Mile durchaus bewältigen lässt. Eine wirksame Robotik wird einen Beitrag zur Bewältigung des Pflegekräftemangels leisten“, bleibt Ehrenmüller optimistisch.
helfen dem Patienten und ersparen dem System Milliarden“. Sie ist sicher: „Die Versorgungsprobleme werden nicht geringer.“
Quelle: ÖKZ, 63. JG, 12/2022, Springer-Verlag.