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Jeder Zelltyp des Menschen funktioniert anders. Es gibt von ihnen mehr Arten als erwartet. Die genaue Kenntnis darüber würde das Verständnis von Gesundheit und Krankheit revolutionieren. Weltweit arbeiten Forscher deshalb an einem "Human Cell Atlas". Jetzt hat ein britisch-deutsches Forscherteam wichtige Erkenntnisse zum Teilprojekt eines "Heart Cell Atlas" vorgestellt.
Insgesamt wird der Atlas der Zellen des Menschen derzeit für die einzelnen Organe erstellt. Die Grundlage bildet die Einzelzell-RNA-Sequenzierung, die für jede Zelle ein Transkriptom, also die Informationen über die abgelesenen Gene und die Produkte dieser Vorgänge - die für den jeweiligen Zelltyp charakteristischen Proteine - auflistet. Da die Messenger-RNA anzeigt, welche Gene die Zelle abruft, gibt das Transkriptom genaue Informationen über die Funktion einer Zelle. Das Riesenprojekt beruht auf der Finanzierung durch die wichtigsten Forschungsförderungsinstitutionen auf dem Gebiet der "Life Sciences": zum Beispiel die nationalen US-Gesundheitsinstitute (NIH), der britische Wellcome Trust oder die EU. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen wieder der Wissenschaft und inbesonders der Medizin zugute kommen.
Deutsche und britische Wissenschafter vom Sanger Institute (Cambridge), vom Max Dellbrück Center in Berlin und zwei anderen deutschen Forschungsinstitutionen haben vor wenigen Tagen einen wesentlichen Bestandteil des Gesamtprojekts publiziert: Ergebnisse von Transkriptom-Forschungen am menschlichen Herz.
"Die heute in 'Nature' (DOI: 10.1038/s41586-023-06311-1) veröffentlichte Studie gehört zum internationalen 'Human Heart Cell Atlas', der alle Zelltypen im menschlichen Herzen kartografiert. Forschende (...) haben nun für acht Herzregionen insgesamt 75 Zellzustände beschrieben und damit die Zellen und die Genexpression in gesunden erwachsenen Herzen mit bisher unerreichter Genauigkeit räumlich kartiert. Dieses Wissen kann der Schlüssel dazu sein, wie unzählige Zellen das Herz koordiniert schlagen und pumpen lassen", hieß in einer Aussendung des Max Dellbrück Center.
Die Studie umfasst Daten von Herzzellen von 22 Organspendern im Alter zwischen 40 und 75 Jahren. Die Wissenschaftler verwendeten modernste Methoden wie die Einzelzellsequenzierung, bei der für jede einzelne Zelle ermittelt wird, welche Gene sie gerade abliest. Mithilfe der räumlichen Transkriptomik konnten sie nachvollziehen, wo genau die einzelnen Zellen im Herzen sitzen und wie sie miteinander kommunizieren.
"Die räumliche Anordung der Zellen im Herzgewebe ist äußerst wichtig. Es macht einen Unterschied, ob eine Bindegewebszelle mit einer Herzmuskelzelle oder einer Immunzelle 'spricht'. Das kann erhebliche Konsequenzen für die Funktion des Herzens haben", sagte Norbert Hübner vom Max Delbrück Center, einer der Co-Autoren.
Erstmals erstellte das britisch-deutsche Team auch ein Profil der Zellen des menschlichen Reizleitungssystems in dem Organ. Dazu gehören die Herzschrittmacherzellen, welche die elektrischen Impulse erzeugen und die Herzfrequenz bestimmen. Ist das Reizleitungssystems gestört, gerät der Herzrhythmus aus dem Takt. Dies führt zu einer Reihe von Herzrhythmusstörungen, die tödlich verlaufen können.
"Die Forscher machten dabei eine unerwartete Entdeckung: Die Herzschrittmacherzellen arbeiten mit benachbarten Gliazellen zusammen. Gliazellen befinden sich sonst vorwiegend im Gehirn, wo sie die Nervenzellen unterstützen", schrieb das Max Delbrück Center. Ursprünglich wurde ihnen vor allem eine Stützfunktion für Nervenzellen zugeschrieben, sie sind aber auch für die Nährstoffversorgung der Neuronen. In Herzgewebe war ihre Funktion bisher kaum bekannt und wurde auch kaum untersucht. "Nun stellte sich heraus, dass Gliazellen Teil des Reizleitungssystems des Herzens sind und über bisher unbekannte Signalwege mit den Herzschrittmacherzellen kommunizieren. Offenbar setzen die Schrittmacherzellen den Neurotransmitter Glutamat frei, ein Prozess, der bisher noch nicht beschrieben wurde", stellten die Wissenschaftler fest.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie war die Verortung von Immunzellen im Herzen: Plasmazellen im Epikard, der äußersten Schicht des Herzens, bilden offenbar Immunnischen, die möglicherweise zur Abwehr von Infektionen beitragen. Schließlich könnten die Forscher auch auf ein mögliches Frühwarnsystem für eine chronische Herzschwäche gestoßen sein: In solchen Fällen werden in dem Organ Zelltypen häufiger, welche den Biomarker BNP (Brain Natriuretic Peptide) produzieren.
Die Arbeiten am "Human Cell Atlas" gehen schnell voran. In der gleichen Ausgabe von "Nature" veröffentlichte ein US-Team die Charakteristika, welche gesunde von kranken Nierenzellen unterscheiden. In einem anderen Teilprojekt haben Wissenschafter fötale Zellen sequenziert und deren Zusammenspiel mit der Plazenta charakterisiert. Auch eine Übersicht zum Transkriptom gesunden und durch Krankheit beeinträchtigten Lungengewebes gibt es schon.
Die Arbeiten zur Entschlüsselung der Eigenheiten der verschiedenen Zellen des menschlichen Körpers haben bisher bereits ergeben, dass es offenbar viel mehr unterschiedliche Zelltypen als angenommen gibt. Zwar weist jede der Billionen Zellen des Menschen das vollständige Genom in zweifacher Ausfertigung in der DNA auf, von den bis zu rund 25.000 Genen, welche für Proteine kodieren, werden in den verschiedenen Zellen jedoch nur die wenigsten benutzt. Das Sequenzieren der in den Zellen vorkommenden RNA zeigt, welche Gene transkribiert werden. Das wiederum weist auf deren Funktion hin.