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Seit den ersten Fällen von COVID-19 in Österreich und der Schweiz sind fast drei Jahre vergangen. Eine Pandemie ist kein Ländermatch, aber inzwischen sind genügend Daten vorhanden, um einen deskriptiven Ländervergleich zu wagen.
Österreich und die Schweiz verbindet eine 180 Kilometer lange Grenze. Österreich hat 9 Millionen Einwohner (EW), die Schweiz mit 8,7 Millionen nur geringfügig weniger. Allerdings ist die Schweiz flächenmäßig deutlich kleiner und die Bevölkerungsdichte mit 212 EW pro km2 doppelt so hoch wie in Österreich. Beides sind föderale Staaten, bei denen die 26 Kantone und 9 Bundesländer relativ viel Eigenständigkeit haben.
Beide Länder gehören zu den reichsten weltweit. Die Schweiz verwendete 2020 laut OECD 12,3 Prozent des BIP für das Gesundheitssystem, in Österreich waren es 12,2 Prozent. Kaufkraftbereinigt waren es in der Schweiz pro Kopf 4.997 Euro und in Österreich 5.700 Euro. [1]
Beide Länder haben ein Sozialversicherungssystem. Wobei die Krankenkassen in der Schweiz im Wettbewerb stehen (Versicherungspflicht), während in Österreich eine Pflichtversicherung gilt.
Bei der Anzahl der praktizierenden Ärzte liegt Österreich mit 5,4 pro 1.000 EW vor der Schweiz mit 4,4 pro 1.000. Umgekehrt ist es bei den Pflegekräften. Da liegt die Schweiz mit 18,4 pro 1.000 EW deutlich vor Österreich mit 10,5 pro 1.000. Österreich hat mit 7,1 Spitalsbetten pro 1.000 EW deutlich mehr als die Schweiz mit 4,5 pro 1.000. Bei den Intensivbetten ist der Unterschied noch größer. In Österreich sind es 21,8 pro 100.000 EW und in der Schweiz mit 9,9 nicht einmal halb so viel.
Am 25. Februar 2020 wurde ein im Kanton Tessin lebender 70-Jähriger erstmals positiv auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2 getestet. Am 16. März 2020 beschließt der Bundesrat die „außerordentliche Lage“ (höchste Gefahrenstufe) gemäß Epidemiegesetz. Sämtliche nicht lebensnotwendigen Geschäfte und Dienstleistungen mussten schließen. Am 11. Mai 2020 wurde ein Großteil der Notmaßnahmen wieder aufgehoben. Am gleichen Tag wie in der Schweiz waren zwei in Innsbruck lebende Italiener die ersten positiven Fälle. Ab dem 16. März 2020 wurde ein bundesweiter Lockdown verfügt, der ab Ostern wieder schrittweise gelockert und am 1. Mai 2020 gänzlich aufgehoben wurde.
Die Schweiz war bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zurückhaltender als Österreich. Das zeigt der COVID-19 Containment and Health Index der Oxford University, in dem 13 Indikatoren zu einem Wert zwischen 0 (keine Maßnahmen) und 100 (Maximalwert) zusammengeführt werden. [2]
Einen „Lockdown“ (Paket aus mehreren Maßnahmen zur Reduktion von Kontakten und Mobilität) gab es in der Schweiz nur zu Pandemiebeginn und Anfang 2021. In Österreich gab es vier „Lockdowns“ für die Allgemeinbevölkerung, plus eine Osterruhe 2021 im Osten und vom 15. November 2021 bis 24. Jänner 2022 einen zusätzlichen zehnwöchigen „Lockdown“ für Personen ab dem 12. Lebensjahr, die die Kriterien des „Grünen Passes“ (2G-Regel) nicht erfüllten.
In der Schweiz waren die Schulen nur im ersten „Lockdown“ sechs Wochen vollkommen geschlossen. In Österreich waren die Schulen insgesamt 15 Wochen vollkommen geschlossen und 24 Wochen eingeschränkt zugänglich. [3]
In Österreich galt ab April 2020 eine Maskenpflicht in Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Sommer 2020 wurde die Maskenpflicht wieder aufgehoben und Mitte September 2020 wieder eingeführt. Ende Jänner 2021 wurde statt eines Mund-Nasenschutzes eine FFP2-Maske, auch in den Schulen (Unter- und Oberstufe), verpflichtend. In der Schweiz war zu keinem Zeitpunkt eine FFP2-Maske verpflichtend. Das Tragen eines Mund-Nasenschutzes (MNS) wurde erst ab Mai 2020 empfohlen. Eine Verpflichtung für einen MNS gab es ab Oktober 2020 im öffentlichen Verkehr und Lebensmittelhandel. Im Februar 2021 wurde die Maskenpflicht auf Schulen ausgeweitet. Am 1. April 2022 hat die Schweiz fast alle Maßnahmen beendet.
Pro 1.000 EW hat Österreich mindestens zehnmal mehr getestet als die Schweiz. [4] Im Bildungsbereich wahrscheinlich hundertmal mehr. In der Schweiz war der Anteil der positiven Tests 7- bis 8-mal höher als in Österreich. [5]
In Österreich wurden pro 1.000 Einwohner mehr Impfdosen verabreicht als in der Schweiz. [6] In der Schweiz haben 70% der Bevölkerung zumindest eine Impfung [7], in Österreich sind es 77%. Auch der Anteil der Personen mit drei oder vier Impfungen ist in Österreich höher. In der Schweiz hat sich die Nationale Ethikkommission gegen eine Impfpflicht ausgesprochen [8], in Österreich die Bioethikkommission dafür. [9] Die Interessenskonflikte der Eidgenössischen Kommission für Impffragen sind öffentlich [10], die Interessenskonflikte des Nationalen Impfgremiums in Österreich sind nicht öffentlich. [11]
Speziell bei jungen Menschen unterscheiden sich die aktuellen Impfempfehlungen in der Schweiz deutlich von denen in Österreich. In der Schweiz gilt: „Kindern und Jugendlichen < 16 Jahre ohne chronische Erkrankungen, welche noch ungeimpft sind, wird im Herbst 2022 keine Impfung empfohlen. Insbesondere Kindern und Jugendlichen, die eine Infektion hatten, wird die Impfung wie bisher nicht empfohlen.“ [12] In Österreich: „Ab dem vollendeten 6. Lebensmonat 3-Dosen-Schema einer speziellen Kinder-Formulierung. Empfehlung einer vierten Impfung ab dem 12. Lebensjahr.“ [13]
Home Office für Arbeitnehmer und Distance Learning für Schüler und Studenten gab es in beiden Ländern. Wobei unklar ist, wie lange und in welchen Bereichen Empfehlungen bzw. Verpflichtungen gültig waren.
In der PubMed-COVID-Datenbank [14] finden sich mit dem Suchbegriff „Switzerland“ 5.706 und mit „Austria“ 653 Publikationen. In der Schweiz wurden regelmäßig Seroprävalenzstudien durchgeführt [15], in Österreich nicht. In der Schweiz fand eine externe Evaluierung (bis Sommer 2021) statt, [16] in Österreich nicht. Dafür gibt es einen Rechnungshofbericht. [17]
In Österreich sind bis Mitte Dezember 2022 mit 2.384 pro Million EW deutlich mehr Menschen mit oder an COVID-19 verstorben als in der Schweiz mit 1.619. (18)
Der Altersdurchschnitt liegt in der Schweiz bei 84 Jahren, in Österreich bei 82 Jahren. Die Übersterblichkeit war in Österreich, über den gesamten Pandemiezeitraum betrachtet, etwas höher als in der Schweiz. [19]
Die Gesamtzahl der bis heute in Österreich wegen COVID-19 hospitalisierten Personen ist öffentlich nicht verfügbar. Bis 5. September 2022 wurden 106.517 COVID-19-Patienten aus österreichischen landesfondsfinanzierten Krankenanstalten entlassen, wovon 15.735 auf Intensivstationen (ICU) gepflegt wurden. [20]
In der Schweiz waren es mit 62.663 laborbestätigten Hospitalisationen (bis 04.12.2022) [21], davon zirka 8.800 auf ICU, halb so viele Fälle.
In der aktuellen OECD-Publikation „Health at a Glance: Europe 2022“ ist der Unter- und Fehlversorgung ein ganzes Kapitel gewidmet. (22) Dabei schneidet Österreich durchwegs schlechter ab als die Schweiz. Zu den psychosozialen Folgen der Maßnahmen gibt es inzwischen viele Einzelstudien, ein Ländervergleich ist allerdings kaum möglich.
Beim Vertrauen in die Regierung erlebte Österreich zwischen dem Frühjahr 2020 und dem Frühjahr 2021 den größten Absturz aller EU-27-Länder. [23] Gemäß Demokratiemonitor 2022 sind „nur mehr 34% mit dem politischen System zufrieden“. [24] In der Schweiz haben 85 % Vertrauen in die Politik und 90% sind mit dem politischen System eher oder sehr zufrieden. [25]
Bei wirtschaftlichen Parametern, wie BIP-Verlust, verlorenen Arbeitsstunden, Corona-Subventionen, Arbeitslosenquote, Inflation etc. schneidet Österreich durchwegs schlechter ab als die Schweiz. [26]
Zwischenfazit:
Trotz weniger intensiver und kürzer anhaltender Maßnahmen scheint die Schweiz besser durch die Pandemie gekommen zu sein als Österreich. Für ein endgültiges Fazit ist eine deskriptive Analyse jedoch zu wenig. Dazu braucht es einen methodisch viel aufwendigeren und tiefergehenden quantitativen und qualitativen Vergleich.
Quellen und Links zum Weiterlesen:
1 OECD. Health at a Glance: Europe 2022. https://bit.ly/3H8U5F6
2 Our World in Data. COVID-19 Containment and Health Index. https://bit.ly/3iTOybj
3 UNESCO. COVID-19 Education Response. https://bit.ly/3HyiT9U
4 Our World in Data. Total COVID-Tests per 1.000 people. https://bit.ly/3Yj1xne
5 Our World in Data. Share of total COVID-Tests that were positive. https://bit.ly/3hy0i38
6 Our World in Data. Total vaccine doses administered per 100 people. https://bit.ly/3WsuwTT
7 Bundesamt für Gesundheit (BAG). COVID-19 Schweiz. https://bit.ly/3huTrYg
8 Nationale Ethikkommission (NEK). Stellungnahme 37/2021. Die Covid-19-Impfung. Bern, 02/2021.
9 Bioethikkommission. Stellungnahme zum COVID-19-Impfpflichtgesetz. Wien, 01/2022.
10 Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF). Interessenbindungen. https://bit.ly/3Ww2ZRB
11 BMSGPK. Nationales Impfgremium. https://bit.ly/3Ys3uxP
12 Bundesamt für Gesundheit (BAG). Covid-19: Impfempfehlungen Herbst 2022. Stand 09/2022.
13 BMSGPK. COVID-19-Impfungen. Ergänzendes Kapitel zum Impfplan Österreich 2022. Wien, 11/2022.
14 www.ncbi.nlm.nih.gov/research/coronavirus/
15 www.corona-immunitas.ch/
16 Balthasar A, et al. Evaluation der Krisenbewältigung Covid-19 bis Sommer 2021. Bericht. 2022.
17 Rechnungshof. Pandemiemanagement im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie. Wien, 06/2022.
18 Our World in Data. Cumulative COVID-19 deaths per million people. https://bit.ly/3YCxiaT
19 OECD. Health at a Glance: Europe 2022.
20 Bachner F, et al. Intensivpflege und COVID. Factsheet. 09/2022. Gesundheit Österreich, Wien.
21 BAG. Covid-19 Schweiz. Informationen zur aktuellen Lage. Laborbestätigte Hospitalisationen. 2022.
22 OECD. Disruptions in non-COVID care during the pandemic. Health at a Glance: Europe 2022.
23 Eurofond. Mental health and trust decline across EU. Factsheet. 04/2021. https://bit.ly/3VKVm9t
24 SORA. Österreichischer Demokratie Monitor 2022. https://bit.ly/3PzuZBv
25 SWI. Swiss Info. Demokratie. Umfrage 11/2021. https://bit.ly/3jdvIw5
26 Halla M. Österreichs fatale Corona Bilanz. Der Pragmaticus. 12/2022. https://bit.ly/3YrJhbg
Hinweis der Redaktion: Fachbeiträge geben die wissenschaftliche Arbeit der Autoren und Autorinnen wieder. Sie sind unabhängig von der redaktionellen Ausrichtung der ÖKZ.
Quelle: ÖKZ, 64. JG, 1-2/2023, Springer-Verlag.