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Martin Halla, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien, im Gastkommentar: Um zu verstehen, in welchen Bereichen unsere Sozialversicherung funktioniert – und wo nicht –, ist es unerlässlich, Forscherinnen einen Zugang zu Mikrodaten zu geben. In Österreich ist dies aber nicht möglich.
Um herauszufinden, wie viel die Krankenversicherungsträger für die Refundierung von Wahlarztkosten ausgeben, muss man Abgeordnete zum Nationalrat sein. Nur so lässt sich das Gesundheitsministerium mittels parlamentarischer Anfrage zur Herausgabe dieser Informationen zwingen. Zuletzt tat dies die Abgeordnete Fiona Fiedler. Bundesminister Johannes Rauch beantwortete die Anfrage mit einem Konvolut wenig benutzerfreundlicher PDF-Dateien.
Die Tatsache, dass es einer parlamentarischen Anfrage bedarf, um diese Informationen zu erhalten – und die widerwillig gegebene Antwort darauf –, steht sinnbildlich für den generellen Umgang mit Gesundheitsdaten. Unser Gesundheitssystem produziert im Rahmen der Patientenversorgung automatisch eine Menge an Daten. Neben der klassischen medizinischen Dokumentation entstehen vor allem Verrechnungsdaten. Diese Daten enthalten viele wertvolle Informationen darüber, wie (gut) unser System funktioniert. Leider verwehren das Gesundheitsministerium und die Träger den Anspruchsberechtigten einen (sinnvollen) Zugang zu diesen Informationen.
In einer Demokratie sollten Versicherte das Recht auf einen einfachen und verständlichen Zugang zu aussagekräftigen, deskriptiven Statistiken haben. Das einmal jährlich erscheinende Statistische Handbuch der österreichischen Sozialversicherung stellt eine völlig unzureichende Antwort auf dieses Recht dar.
Aus gesellschaftlicher Sicht wäre es effizient und fair, auch der Wissenschaft Zugang zu gewähren. Österreichs Patientinnen und Patienten haben ein Recht auf evidenzbasierte Medizin sowie auf eine evidenzbasierte Gesundheits- und Sozialpolitik. Um zu verstehen, in welchen Bereichen unsere Sozialversicherung funktioniert – und wo nicht –, ist es unerlässlich, Forscherinnen einen Zugang zu Mikrodaten zu geben. In Österreich ist dies aber nicht möglich. Grundlagenforschungsprojekte sind weder von Gewinnbestrebungen getrieben noch von politischen Interventionen beeinflusst. Darüber hinaus unterliegen sie durch die Publikation in Journalen einem externen Qualitätscheck. Viele Erkenntnisse aus diesen Projekten könnten unmittelbar in den politischen Entscheidungsprozess einfließen und mittelbar sowohl die Versorgung der Patientinnen verbessern als auch die Budgets entlasten.
In der Vergangenheit wurde den Forscherinnen der Zugang zu diesen Daten stets mit dem Verweis auf datenschutzrechtliche Probleme verweigert. Manchmal wurde uns sogar recht deutlich gesagt, dass wir die Daten ohnehin nicht verstehen und daher nur falsche Ergebnisse produzieren. Seit der Gesetzgeber das Austrian Micro Data Center geschaffen hat, ist das Argument des Datenschutzes nicht mehr stichhaltig. Bundesminister Rauch könnte mit einem Federstrich die Daten ins AMDC einbringen. Dieses bietet eine Plattform, die akkreditierten Forscherinnen die Analyse solcher Daten mittels Fernrechnen ermöglicht.
Warum Minister Rauch diese Möglichkeit bislang nicht genutzt hat, konnte uns auch nach persönlicher Nachfrage im Ministerium niemand erklären. Eine naheliegende Begründung könnte die Abwägung aus Patientennutzen und politischer Unwägbarkeiten sein. Ersteres wiegt hier zu leicht. Im internationalen Vergleich belegt Österreich einen der hinteren Plätze. Als positives Beispiel können nicht nur die nordischen Länder genannt werden, sondern auch Ungarn.
In der Vergangenheit gab es mutige Menschen im Gesundheitswesen, die Forscherinnen punktuell Zugang zu Daten gewährten. Die resultierenden Publikationen zeigen, was alles möglich wäre. Auch ein Blick in die Arbeitsmarktforschung offenbart viel über das Potenzial. Hier haben Forscherinnen seit Jahrzehnten einen exzellenten Datenzugang. Dies führte dazu, dass selbst Nobelpreisträger enthusiastisch und ohne Entgelt unsere Arbeitsmarktpolitik evaluieren.