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Digitali­sierungs­pro­jekte bei ELGA: Zeit für Visionen

27. Februar 2024 | Josef Ruhaltinger
Symbolbild "Zukunft".
Symbolbild "Zukunft".

Bund und Länder haben bei den Gesprächen zum Finanzausgleich ein Millionenbudget für die Digitalisierung des österreichischen Gesundheitssystems versprochen. Für die ELGA GmbH soll 2024 ein gutes Jahr werden.

Wer über Gesundheitspolitik spricht, muss zwangsläufig über Digitalisierung reden. Geht gar nicht anders. Das Problem bei derartigen Unterhaltungen: Jeder versteht darunter etwas anderes. Digitalisierung bedeutet alles und nichts. Die IT-Entwickler der ELGA Gmbh bemühten sich zuletzt, etwas Substanz in die Diskussion zu bringen. 

Jüngstes Kind der eHealth-Enthusiasten aus der Treustraße ist die Impfdoc-App für Ärztinnen und Ärzte. Mit der App können impfende Mediziner mithilfe einiger Scans und Klicks sämtliche Impfdaten ihrer Patienten dokumentieren – inklusive e-Card-Infos und Chargennummer des verabreichten Vakzins. Die eingelesenen Daten werden standardisiert im e-Impfpass des Patienten eingetragen. Damit wird für den Arzt der administrative Aufwand einer Impfung auf ein Minimum reduziert. Einlesen der e-Card, Abtippen der Chargen-Nummer, Eintrag in den analogen Impfpass – all diese Vorgänge fallen weg.

Zielgruppe der kostenlosen App sind Ärzte und Hebammen, die im GDA-Register eingetragen sind. Die App steht für jedermann im Google- oder Apple-Store zum Download. Für die Freischaltung braucht es neben dem GDA-Eintrag eine volle ID-Austria-Anmeldung, die aber auch für andere eGovernment-Features genutzt werden kann. Wichtig bleibt ein Detail: Die Impfdoc-App läuft ausschließlich auf Tablets. Smartphones bleiben aufgrund der limitierten Betriebssysteme außen vor. Ein Zuckerl heben sich die Software-Entwickler von ELGA noch auf: Sobald die Schnittstellen-Probleme mit dem e-Card-System gelöst sind, können die impfenden Ärzte ihre Dienste direkt über die App mit den Kassen abrechnen. Wenn dies der Fall ist, werde die Impfdoc-App zum Renner werden, sind sich die Entwickler sicher.

 

Drängeln um den Trog

2024 wird für die ELGA GmbH ein spannendes Jahr. Nach Jahren des darbenden Systemerhalts haben die Finanzausgleichsverhandlungen 51 Millionen Euro für den Ausbau des heimischen eHealth-Systems ausgelobt. Dabei ist offengeblieben, wie die Mittel verwendet werden sollen. 

Jetzt ist die Zeit für Visionen: In allen Software-Schmieden im Umfeld des heimischen Gesundheitssystems werden Konzepte aus den Schubladen geholt, die in den vergangenen Jahren auf die lange Bank geschoben werden mussten. Alle wissen: Ministerium und Kassen werden sich mit der Beauftragung nicht allzu viel Zeit lassen: Der Wahlkampf wird ab Sommer wenig Raum für Hirn lassen.

Die ELGA GmbH ist einer der Keyplayer im Feld der eHealth-Akteure. Ganz oben auf der To-do-Liste steht die Komplettierung der Gesundheitsakte ELGA. Bekanntermaßen ist die Idee der elektronischen Patientenakte in Österreich ein Paket ohne Inhalt: Es fehlen zu viele Informationen über die Reise der Patienten durch das Gesundheitssystem. Aktuell werden Entlassungsbriefe, Laborergebnisse und die Befunde von bildgebenden Untersuchungen mehr oder weniger standardisiert in ELGA eingespeist. Dies deckt rund die Hälfte aller Befunde ab, die ein Patient bei seinem Marsch durch das Gesundheitssystem erhält – zu wenig, um Patient und Ärzteschaft von den Vorteilen einer aussagekräftigen elektronischen Gesundheitsakte zu überzeugen. Daher plant ELGA, die Einbindung von Wahlärzten und Spitals­ambulanzen zu forcieren. Sobald die juristischen und budgetären Voraussetzungen geschaffen sind, kann gestartet werden. Über allem schwebt die Vision, nicht nur Medizinern, sondern allen Gesundheitsdiensteanbietern – vom Physiotherapeuten bis zum Psychologen – Zugang in die eHealth-Infrastruktur von ELGA zu bieten. Dafür wird aber noch etwas Wasser die Donau hinunterfließen müssen.

Sehr viel konkreter ist das Vorhaben, bereits vorhandene Patientendaten nach und nach einzusammeln: Die Informationen aus dem Eltern-Kind-Pass sowie der Schul- und Vorsorgeuntersuchungen schlummern aktuell dort, wo sie erhoben werden: in den Ordinationen. Auch sie sollen in der ELGA-Akte zusammengeführt werden – wie übrigens auch Patientenverfügungen, die ohne großen Aufwand in die Patientenakte integriert werden können – und dort auch auffindbar sind, wenn sie gebraucht werden.

Ein spezielles Thema ist für alle eHealth-Verfechter die Dia­gnosecodierung. Die Codierung ist der Schlüssel, um den Gesundheitsstatus der Bevölkerung begründet beurteilen zu können. Dafür braucht es den Aufbau eines Systems, in dem Mediziner die Diagnose in gewohnten Sätzen für den Befund formuliert und ein sprachliches Assistenzsystem – eine Art Thesaurus – automatisch die ärztliche Diagnose erkennt und in einen Code umwandelt. Der Aufbau einer standardisierten Diagnosedatei für alle Fachgebiete ist bereits in Angriff genommen. Das Ziel: Kein Arzt wird einen Code eingeben müssen. Das Projekt der Diagnosecodierung zählt zweifellos zu den ambitionierteren Punkten in der langen Reihe der Digitalisierungsvorhaben.

Relativ weit gediehen ist bereits die Idee der ELGA-App. Jeder Bürger soll über das Smartphone in seine elektronische Patientenakte hineinsehen können. Die Menschen sollen die Vorteile und Möglichkeiten einer elektronischen Patientenakte hautnah erleben.

 

Das Problem der Datenstandards

Der Vorwurf des PDF-Friedhofs klebt an der Idee der elektronischen Patientenakte wie Unrat am Schuh. Fakt ist: Die elektronische Patientenakte macht nur Sinn, wenn ihre Daten ausgewertet werden können. Dafür braucht es eine Standardisierung der Befundformate. Selbst die Entlassungsbriefe der Kliniken sprechen eine unterschiedliche Datensprache. Um unter den GDAs einen gemeinsamen Standard für eine Auswertung festzulegen, braucht es nicht nur technische, sondern auch legistische Voraussetzungen –, die erst geschaffen werden müssen. Ist dies geleistet, kann die Ärzteschaft mithilfe eines ELGA-Tools die Befunde auswerten. So solle es kein Problem mehr sein, die Entwicklung der Cholesterinwerte des Patienten in einer Zeitreihe darzustellen.

Eines der größten Strukturprobleme des heimischen Gesundheitssystems ist die Mauer zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Das hehre Ziel einer integrierten Versorgung, in der ein chronisch Kranker organisationsübergreifend betreut und therapiert werden kann, ist nur mithilfe eines zusammenhängenden Gesundheits-Datennetzes möglich – wie ELGA es sein will. Wenn ein Diabetiker von seinem betreuenden Arzt über ein Disease-Management-Programm auf eine vordefinierte Untersuchungsrally geschickt wird, dann passiert dies am besten in einem One-Stop-Shop in Form eines fachübergreifenden Dia­betikerzentrums –, das es allerdings auf Basis eines Kassenvertrages noch nicht gibt. Der zweitbeste Weg ist die Voranmeldung des Patienten bei einem Facharztkollegen, der die notwendigen Untersuchungen auf Endschädigungen durchführt und die Befunde über ELGA mit dem zuweisenden Arzt teilt. Die Leitidee: Die „patient journey“ soll über alle Ordinationsmauern und Systemgrenzen vom betreuenden Arzt gesteuert werden können.

Bis das große Ziel einer steuerbaren Patientenreise erreicht ist, sind viele Stufen zu nehmen. Bund und Länder werden eine Priorisierung der Projekte vornehmen müssen, die nicht von den nächsten Wahlen weggewischt wird. 

Quelle: ÖKZ, 65. JG, 1/2024, Springer-Verlag.

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