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Warum medizinische Innovationen zu einem Planungs­risiko werden

14. Mai 2024 | ÖKZ-Redaktion
Innovation. Strategie. Plan. Erfolg.
Innovation. Strategie. Plan. Erfolg.

Meist reichen die Informationen über neue Therapien nicht für eine zuverlässige Ressourcenplanung aus. Horizon Scanning und Prozesskostenanalyse können hier Klarheit schaffen.

Vor der Zulassung neuer medizinischer Therapien haben Leistungserbringer keine ausreichende Information, wie sich die spätere Anwendung dieser Therapien auf ihre finanziellen und personellen Ressourcen auswirken wird. Es stellt sich erst zum Markteintritt der Therapie heraus, ob und welche neuen Prozesse beim Einsatz der Therapie erforderlich sein werden. Das steigert das Risiko, personelle und finanzielle Engpässe nicht frühzeitig zu erkennen. 

Mit einem Horizon Scanning und einer Prozesskostenanalyse kann dieses Informationsdefizit behoben werden. Planbarkeit und der gesamtheitliche Vergleich von Therapien hinsichtlich Gesamtbelastung des Leistungserbringers durch eine neue Therapie sind damit gewährleistet.

Jährlich werden rund 60 neue Therapien von der Europäischen Zulassungsbehörde evaluiert, durchschnittlich 40 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen werden pro Jahr dann tatsächlich zugelassen. [1, 2] Ein Teil dieser neuen Arzneimittel wird überwiegend in Krankenhäusern eingesetzt. Für die Leistungserbringer ist es eine immer größere Herausforderung, einen Überblick über die jeweiligen Einsatzgebiete und die Auswirkungen auf den eigenen Betrieb zu bekommen, noch bevor diese Therapien auf den Markt kommen. Hochspezialisierte innovative Therapien rücken meist aufgrund der Kosten in den Fokus der Zahler und der Träger der Krankenanstalten. Neben der Beurteilung des medizinischen Nutzens der neuen Therapie ist deshalb der Preis ein wichtiges Kriterium, das mit den Pharmaunternehmen als Anbieter verhandelt wird. Ein Aspekt wird allerdings oft nicht beleuchtet: die Auswirkungen einer neuen Therapie auf die Ressourcen des Leistungserbringers. Finanzressourcen sind nur ein Teilbereich. Gerade in Zeiten von Personalknappheit sind es die personellen Ressourcen, die besonders relevant sein können.

 

Der Ressourceneinsatz hängt von der Therapie ab

Neuartige Therapien können die Ressourcen unterschiedlich stark beanspruchen, je nachdem ob mehr oder weniger Personal für die Anwendung einer Therapie benötigt wird.

Kommt eine Therapie mit einem Behandlungsschema auf den Markt, das jenem einer bereits länger eingesetzten Therapie ähnlich ist, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ähnliche Leistungen und Arbeitsschritte erbracht werden müssen, wie bei der bereits bekannten Therapie. In solchen Fällen kann eine Therapie eine andere ersetzen, ohne dass dies zu großen Veränderungen in den zu erbringenden Leistungen und Prozessen kommt. Dementsprechend werden sich auch die erforderlichen personellen Ressourcen nicht stark unterscheiden, was sich positiv auf die Planbarkeit auswirkt.

Tritt aber der Fall ein, dass sich die Behandlungsalgorithmen stark voneinander unterscheiden, wird das mit großer Wahrscheinlichkeit einen anderen Personalressourcenbedarf mit sich bringen. Werden etwa bislang intravenös zu verabreichende Therapien durch orale Arzneimittel ersetzt, dann fallen Leistungen und Prozesse weg, was zu einem geringeren Personalbedarf führt – natürlich können dann in einem solchen Fall auch bestimmte Leistungen nicht mehr abgerechnet werden, was sich negativ auf die Erlössituation auswirkt. 

Hochkomplexe neue Therapien können andererseits auch aufgrund der aufwendigeren Vorbereitung, Verabreichung oder zusätzlicher Kontrollen mehr Personalressourcen erfordern. Von besonderer Bedeutung sind diese Betrachtungen bei bisher nicht therapierbaren Krankheiten oder wenn sich die Behandlung aufgrund der medizinischen Innovation aus dem stationären in den ambulanten Bereich verlagert oder umgekehrt.

Ohne die zeitgerechte Information über die in der klinischen Prüfung befindlichen und zu erwartenden neuen Therapien sowie die wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Ressourcen des Leistungserbringers wird die langfristige Personalplanung schwierig. Dies gilt auch für die Einhaltung der Budgets.

 

Planungssicherheit durch zusätzliche Information

Ein wichtiger erster Schritt, dieses Planungsrisiko zu reduzieren, ist, mittels Horizon Scanning einen umfassenden Überblick über die zu erwartenden medizinischen Innovationen zu erhalten. Dabei gilt es, diese Innovationen zu identifizieren und zeitlich zu priorisieren, je nachdem wie weit sie in der Entwicklung fortgeschritten sind und wann sie zugelassen werden könnten.

Zusätzlich ist es wichtig, sie im Feld der vorhandenen Therapieoptionen einzuordnen. In Anlehnung an das PICO-Framework [3] muss herausgefunden werden, in welcher Indikation, für welche und für wie viele Patienten die neue Therapie eingesetzt werden könnte. Ebenso ist auf Basis der verfügbaren Daten eine Abschätzung notwendig, in welchem Ausmaß mit der neuen Therapie die Outcomes im Vergleich zu den bereits verfügbaren Therapien verbessert werden könnten. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich auf die Größenordnung der zu erwartenden Kosten der noch nicht zugelassenen Therapie schließen.

Im zweiten Schritt müssen die möglichen Auswirkungen auf die Ressourcen beim Leistungserbringer ermittelt werden. Eine geeignete Methode dazu ist die sogenannte Prozesskostenanalyse. Medizinische Therapien können als die Summe von einzelnen Leistungen, Prozessen und Aktivitäten, die für die Erbringung dieser Leistungen notwendig sind, dargestellt werden. Eine Leistung kann zum Beispiel die Blutuntersuchung sein. Die Blutabnahme, das Versenden der Blutprobe oder die Dokumentation wären hierfür notwendige Prozesse. Aktivitäten sind dann die einzelnen Arbeitsschritte innerhalb eines Prozesses, wie z.B. Stauschlauch anlegen, Proberöhrchen beschriften etc. Die einzelnen Leistungen und Prozesse können nach der Erfassung quantifiziert werden. Das heißt, es wird ermittelt, wie lange ein Prozess zur Leistungserbringung dauert und welche Materialien verbraucht werden. Dazu greift man auf durchschnittliche Erfahrungswerte zurück oder diese Informationen werden aus Befragungen der Health Care Professionals gewonnen. Die Erfassung der einzelnen Arbeitsschritte (Aktivitäten) und Messung der Zeit pro Arbeitsschritt, wie es etwa bei Effizienzsteigerungsprojekten in der produzierenden Industrie gemacht wird, ist im Fall der Prozesskostenanalyse nicht notwendig. Es bringt weder eine für die angestrebte Zielsetzung relevante höhere Genauigkeit, noch wäre der zusätzliche Aufwand und die damit verbundene Störung des Klinikbetriebes zu rechtfertigen.

Eine Prozesskostenanalyse bietet sich besonders dann für die Evaluierung von medizinischen Therapien an, wenn die innovative Therapie die bisherigen Behandlungsabläufe stark verändert oder wenn es unklar ist, wie sich die neue Technologie oder Therapie in Abhängigkeit von zunehmenden Patientenzahlen auf die eigenen Prozesse und Ressourcen auswirken wird. Auch wenn unterschiedliche Therapien mit vergleichbaren medizinischen Outcomes auf Basis des Gesamtressourcenbedarfs miteinander verglichen werden sollten, um so die medizinisch sinnvollste und gleichzeitig ressourcenschonendste Option zu identifizieren, kann die Prozesskostenanalyse eingesetzt werden.

 

Die Prozesskostenanalyse in 9 Schritten

Eine Prozesskostenanalyse nach der IBEXX-Methode läuft nach einem definierten Schema in 9 Schritten ab. Im ersten Schritt wird im Rahmen der Klärung des Projektumfanges eine der Aufgabenstellung entsprechende, möglichst homogene Patientengruppe mit vergleichbaren Diagnosen festgelegt. Anschließend werden Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu einer Behandlung dieser Patienten mit dem zu untersuchenden Arzneimittel oder der Technologie gesammelt. Als Quellen dienen Publikationen der klinischen Studien oder auch Standard Operating Procedures.

Mit diesen Informationen kann im dritten Schritt bereits eine erste Vor-Modellierung des Behandlungsablaufes und der Leistungen und Prozesse durchgeführt werden. Das Roh-Modell wird im nächsten Schritt mit den Informationen aus strukturierten Interviews mit dem ausführenden klinischen Personal überprüft und verfeinert. In diesen Interviews werden die getroffenen Annahmen über den Behandlungsablauf mit dem Pflegepersonal und den Ärzten diskutiert sowie weitere quantitative Informationen erhoben. In diesem Schritt werden auch die jeweiligen Verantwortlichkeiten, die Mitwirkung der verschiedenen Berufsgruppen bei der Erbringung der Leistungen sowie die Menge der Verbrauchsmaterialien und die verwendeten Medikamente erfasst. Entscheidend ist hier die softwaregestützte Interviewführung. Die speziell entwickelte Software erlaubt es, diese Gespräche mit einem möglichst reduzierten zeitlichen Aufwand für die Angehörigen der Pflege oder für die Ärzten zu führen.

Mit all diesen Daten kann das Modell fertiggestellt werden, in das im folgenden Schritt die Controlling-Daten des Leistungserbringers eingespeist werden. Um ein möglichst ganzheitliches Bild der Auswirkungen auf die Ressourcen des Leistungserbringers zu erhalten, umfassen diese Daten die Personal-Stundensätze, Materialkosten, Arzneimittelkosten, Laborkosten und Infrastrukturkosten. In Schritt sieben werden die Gesamtkosten für die analysierte Therapie mit dem erstellten Modell und allen gesammelten Daten berechnet. Im vorletzten Schritt vor der Präsentation und der Diskussion der Ergebnisse mit dem Management des Leistungserbringers werden die Ergebnisse auf Vollständigkeit, Konsistenz und Plausibilität geprüft.

 

Die Prozesskostenanalyse schafft Transparenz

Die Ergebnisse der Prozesskostenanalyse ermöglichen ein objektives und quantifiziertes Bild, welche Prozesse innerhalb eines Behandlungsablaufes einen erhöhten Ressourcenbedarf verursachen. Es wird sichtbar, zu welchem Zeitpunkt welche Berufsgruppe oder Funktionsbereich wie stark in die Durchführung der Behandlung involviert ist. Spitzen im Ressourcenbedarf können so rechtzeitig identifiziert und personelle Engpässe durch entsprechende Planung vermieden werden. Ein Vorteil der Prozesskostenanalyse ist, dass die Ergebnisse aus der Erhebung der Ist-Situation in der untersuchten Institution und auf Basis der konkreten Behandlungsabläufe und der realen Leistungskennzahlen im Routineeinsatz gewonnen werden können. Mit dieser Analyse wird deshalb eine Real World Economic Evidenz geschaffen, die eine wichtige Grundlage für die strategische Ressourcenplanung darstellt. 

 

Quellen und Links:

[1] European Medicines Agency – www.ema.europa.eu/en/medicines/medicines-human-use-under-evaluation
[2] Pharmig Arzneimittel und Gesundheitswesen in Österreich Daten & Fakten 2023 – www.pharmig.at/media/5949/pharmig-daten-und-fakten-2023_digital.pdf
[3] The impact of patient, intervention, comparison, outcome (PICO) as a search strategy tool on literature search quality: a systematic review – www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6148624/

Quelle: ÖKZ 2/2024, 65. Jahrgang, Springer-Verlag