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Am meisten treibt den neuen Sozialminister Rudolf Anschober derzeit die Pflege um – abgesehen vom Coronavirus. Deshalb ist er jetzt auch nicht nur Sozial- und Gesundheits-, sondern auch Pflegeminister. Bereits die vorletzte Regierung hatte nichts weniger als einen Masterplan in diesem Bereich angekündigt, bis Ende 2019 hätte ein detailliertes Konzept inklusive Gesetzen vorliegen sollen. Das wurde bekanntlich durch ein im Mai veröffentlichtes Video vereitelt.
Das Kapitel Pflege besteht zwar im Programm der neuen Regierung auch hauptsächlich aus Überschriften, doch während Türkis-Blau „Pflege daheim vor stationär“ zum Leitmotiv erkoren hatte, heißt es nunmehr: „Der Staat Österreich darf die Verantwortung dafür [die Pflege] aber nicht allein auf die Schultern der Angehörigen laden, sondern hat seine wichtige Aufgabe wahrzunehmen.“ Wobei die Punktation etwa hinsichtlich des immer knapper werdenden Pflegepersonals recht lakonisch die „Einführung einer Pflegelehre PFA …“, eine „Imagekampagne – … Attraktivierung des Berufsbildes“, die „Vereinfachung von Nostrifizierungen“ und „Die Aufnahme der Pflege in die Mangelberufsliste“ vorsieht. Ob das hilft? Im Waldviertel ist jetzt schon jede zehnte Stelle in der mobilen Pflege unbesetzt.
Was die Finanzierung anlangt, so soll, erraten, eine Taskforce eingerichtet werden, eine Bund-Länder-Zielsteuerungskommission zur Abstimmung und Koordination aller Stakeholder. Klingt irgendwie bekannt. Wird aber das Problem, dass Pflege teurer wird, der Staat sparen will und die Lohnnebenkosten nicht steigen dürfen, höchstwahrscheinlich nicht lösen.
Die Prioritäten der Regierung zeigen sich sowieso im Umfang der einzelnen Abschnitte: Migration, Asyl und Integration nehmen 20 Seiten ein, Pflege und Gesundheit zusammen knapp zwölf.
Disruptives ist auch im Gesundheitskapitel nicht zu finden. Die Formel „Health in all Policies“, vor einigen Jahren noch von sämtlichen Gesundheitspolitikern gern im Mund geführt, ist verhallt. Das mag daran liegen, dass der Begriff weiten Teilen der Bevölkerung ebenso viele Rätsel aufgab wie „Primärversorgungseinheit“ und auch die Politiker unsicher waren, worin genau dabei eigentlich ihre Aufgabe bestand. Oder daran, dass Gesundheitsversorgung in Österreich immer noch gleichbedeutend mit Akutversorgung ist und Prävention mit Vorsorgeuntersuchung. Dieses Liebkind der österreichischen Gesundheitspolitik seit den 1970er-Jahren, für das alljährlich 150 Millionen Euro ausgegeben werden, soll ausgeweitet werden, als würde nicht schon genug diagnostiziert. Zwar ist auch geplant, „gesundheitsfördernde Lebenswelten“ zu schaffen, und ein Big-Data-Fan unter den Koalitionsverhandlern hat das Schlagwort „population health management“ ins Programm reklamiert. Wer was wie managt und wie die Fantastilliarden an bereits bestehenden Gesundheitsförderungsprojekten in Gemeinden, Schulen und Betrieben zu einem sinnvollen Ganzen verschmolzen werden könnten, steht nicht dabei. Hingegen ist das Ziel, die Zielsteuerung zu stärken. Auf welch windschiefer Basis die derzeit laufende aufbaut, hat erst unlängst ein Bericht des Rechnungshofs gezeigt.
Anders als im Regierungsprogramm von vor zwei Jahren ist nicht mehr von Kunden im Gesundheitswesen die Rede, die Patienten dürfen wieder Patienten sein. Auch um bessere Rahmenbedingungen für private Gesundheitsdiensteanbieter will man sich nicht mehr kümmern, zumindest nicht explizit.
Aber das Regierungsprogramm ist ohnehin, wie Anschober in einem Interview sagte, „keine Bibel für fünf Jahre“. Für Überraschungen ist das Gesundheitsressort bisher allerdings nicht bekannt.
Quelle: ÖKZ 01-02/2020 (Jahrgang 61), Schaffler Verlag