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Markus Golla ist Studiengangsleiter der Gesundheits- und Krankenpflege an der IMC FH-Krems. Er erzählt im Interview von seinen Studierenden, der Akademisierung des Pflegeberufs und von der Notwendigkeit, die Pflege im Gesundheitssystem neu zu positionieren.
Markus Golla: Ein Akademiker sollte von Akademikern nicht annehmen, dass sie nichts arbeiten. Aber wahrscheinlich hat er sich eher gefragt: Wer holt mir in Zukunft meinen Kaffee? Der Unterschied zwischen der alten Diplompflege-Ausbildung und dem Bachelor-Studium liegt im Umstand, dass unsere Studenten befähigt sind, mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden komplexe Lösungen auf Grund von Fakten zu entwickeln, zu interpretieren und auch zu hinterfragen. Das hat natürlich Auswirkungen: Die Akademisierung der Pflege hat unseren Status verändert.
Man macht Dinge nicht mehr, weil man sie schon immer so gemacht hat, sondern weil erwiesen ist, dass sie helfen. Ich nenne ein Beispiel: Bis in die 60er-Jahre war es gängige Lehre, einen Dekubitus, also ein Druckgeschwür, wie es in der Pflege oft bei langer Bettlägerigkeit auftritt, mit Kohlblättern zu stopfen und zuzupicken. Später ist man dazu übergegangen, Eiswürfel in das Geschwür zu geben und dann mit einem Fön die Wunde zu erwärmen.
Aus heutiger Perspektive ist dies alles Wahnsinn. In jedem der vergangenen Jahrzehnte sind wir draufgekommen, dass viele der Methoden, die standardmäßig in der Pflege angewandt wurden, unter wissenschaftlichen Kriterien ein Humbug sind. Erst in den neunziger Jahren wurde begonnen, akademisch begründete Leitlinien für gewisse Pflegeaktivitäten zu entwickeln. In vielen europäischen Ländern ging diese Evolution einher mit der Tendenz, die Pflege zu akademisieren. Nur in Deutschland und Österreich haben wir auf diesen Trend verzichtet. Wir sind in dem Punkt echte Nachzügler. Aber zumindest seit 2016 ist festgeschrieben, dass die Pflege von der Diplomausbildung, wie sie früher stattfand, zum Bachelorstudium upgegradet wird. Die Deutschen kämpfen immer noch um diesen Schritt.
Wir haben immer ausreichend Interessenten für unseren Studiengang. In Wien gibt es für die Ausbildung sogar eine Warteliste. Und wir in Niederösterreich können unsere Studienplätze gut befüllen. 85 Prozent meiner Studierenden haben vor Studienstart ein freiwilliges soziales Jahr gemacht oder engagieren sich bei der Rettung. Ich habe mit sehr vielen jungen Menschen zu tun, die eine bestimmte Art der Berufung spüren und mit anderen Menschen arbeiten wollen. Das bedeutet, wir können die bestehenden Ausbildungsinstitutionen füllen, ohne aber den Pflegemehrbedarf abzufangen. Schließlich werden immer mehr Menschen immer älter. Viele der jungen Menschen haben aber immer noch Scheu, ohne Matura in den Studiengang einzusteigen. Dabei ist eine Studienberechtigung relativ einfach zu erwerben.
Das wird von vielen so wahrgenommen. Ich bin ein Beispiel, wie es auch ohne höhere Schule geht. Ich habe Fotograf und Einzelhandelskaufmann gelernt, das normale Pflegediplom gemacht und mithilfe einer Studienberechtigungsprüfung den Bachelor und Master abgelegt. Jetzt beginne ich mit dem PhD. Ich erzähle dies, weil ich Mut machen will, mit einer in einem Sommer zu erledigenden Studienberechtigungsprüfung den Einstieg in einen sehr erfüllenden Beruf zu wagen.
Die Gründe für Österreichs Pflegeprobleme sind vielschichtig. Die Gehälter in unserem Beruf sind sehr unterschiedlich. Mit einem Diplom oder FH-Abschluss starten Berufseinsteiger in Österreich in der Pflege mit 1.600 Euro bis zu 2.500 Euro netto. Arbeitgeber, die an der unteren Range zahlen, haben natürlich ein größeres Rekrutierungsproblem als jene, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und 2.500 netto bezahlen.
Nein. Aber trotzdem eine Frage des Geldes. Zweiter Hauptgrund für unsere Personalprobleme ist die geringe Bereitschaft, insgesamt genug Mittel für Gesundheit aufzubringen. Die Gesundheitsökonomen haben unseren Beruf zu Tode optimiert. Dass es in der Pandemie in Gesundheitseinrichtungen keine Lagerhaltung für Schutzanzüge und Masken gegeben hat, finde ich nicht erst seit Covid als Witz. Das war vor der Pandemie auch schon falsch. Aber da hat niemand zugehört. Die Pflege läuft im System als Hintergrundrauschen mit. Wenn ein Primar auf einem Kongress in Dubai nützliche Medizintechnik um 1,5 Millionen entdeckt, gibt es Mittel und Wege, diese nach einem Jahr auf seiner Station zu finden. Diese Mittel werden in der Pflege eingespart. In der gleichen Station wurden zur gleichen Zeit billige Venenverweilkanülen angeschafft, die völlig desolat und zwei Cent billiger waren als die brauchbare alte Version – zwei Cent!!
Nein. Aber man darf ihm vorwerfen, wenn dies durch Umverteilung auf Kosten anderer Systemträger passiert. Medizin wird durch das LKF-System vergütet (leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung, rechnet stationäre Spitalskosten ab, Red). Die Pflege kommt in diesem System nicht vor. Dadurch belohnt das System ausschließlich medizinische Leistungen, aber keine pflegerischen.
Die große Lösung ist die Abbildung der Pflege im LKF-System als eigene Kosten- und Leistungskategorie. Es braucht eine eigene Kostenstelle und keine Zuordnung zu einer medizinischen Leistung. Sobald die Pflege im Gesundheitssystem als geldwerte Leistung sichtbar wird und die Entlohnung dem Almosenniveau entwächst, wird sich das Berufsbild sehr rasch zum Positiven wandeln. Dann wird der Ausdruck des Pflegenotstandes der Vergangenheit angehören.