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Die wirksamer werdende Medizin wandelt gleichzeitig auf einem immer schmaler werdenden Grat zwischen Nutzen und Risiko. Am Welttag der Patientensicherheit wiesen österreichische Experten darauf hin, dass es beim Thema Patientensicherheit auf ein Zusammenspiel zwischen organisatorischen, menschlichen und technischen Komponenten ankommt.
"Es hat sich sehr viel getan, aber noch nicht genug. Unser Gesundheitswesen ist eines der sichersten", sagte Brigitte Ettl, ärztliche Direktorin des Wiener Krankenhauses Hietzing und Präsidentin der Plattform Patientensicherheit. Die österreichische, die deutsche und die Schweizer Organisationen haben bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Abhaltung des Welttages der Patientensicherheit durchgebracht. Die Aktivitäten zielten auf eine "Sicherheitskultur auf allen Ebenen" des Gesundheitswesens ab, erklärte die Expertin.
In Österreich muss pro Jahr - österreichische Daten dazu gibt es nicht - aufgrund internationalen Schätzungen mit jährlich rund 245.000 Zwischenfällen in Krankenanstalten gerechnet werden. Wahrscheinlich gibt es zwischen 2.900 und 6.800 Todesfälle. Ein Teil wäre vermeidbar. "Man rechnet, dass beispielsweise zehn bis 30 Prozent der Spitalsinfektionen verhütbar wären", bestätigte Ettl. Im Zentrum der Patientensicherheit stünden die Kommunikation aller Beteiligten und - dazu gibt es ein eigenes "Speak Up"-Programm - natürlich auch die Bereitschaft, Probleme und Risiken zur Sprache zu bringen.
"Jeder Fehler ist auch ein Helfer. Wo ich noch einen gewissen Nachbesserungsbedarf orte, sind die Rahmenbedingungen, dass mit Fehlern offen umgegangen wird", sagte Gerhard Aigner vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin. Mediation, das Vermeiden von Regressen gegenüber Beschäftigten im Gesundheitswesen, die einen Schaden verursacht haben und das Schaffen einer entsprechenden Fehlerkultur seien unumgänglich.
"Patientensicherheit ist einer der wesentlichsten Punkte im Gesundheitswesen. Eine Grundvoraussetzung ist eine adäquate Ausbildung. Ein weiterer Punkt ist ausreichendes Personal. Da haben wir leider noch immer Defizite", betonte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres. Das Gesundheitswesen müsse auch ausreichend finanziell dotiert werden, um sicher zu sein. "Die Ausgaben für das Gesundheitswesen sind in Österreich nicht explodiert, sondern konstant geblieben. Länder wie Deutschland geben ein Prozent mehr vom Bruttoinlandsprodukt dafür aus, die Schweiz zwei Prozent mehr. Das wären vier bis acht Milliarden Euro für unser Gesundheitswesen."
Viele der Risiken im Gesundheitswesen sind system- und prozessbedingt. "Die Medizin ist wie ein hoch wirksames Medikament, das aber bedauerlicherweise auch mit eine hohen Nebenwirkungsrate verbunden ist", betonte Klaus Markstaller, Leiter der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie von MedUni Wien bzw. AKH. Ein Risikobereich sei beispielsweise, dass die Medizin in hoch spezialisierte Fachbereiche gegliedert sei, am Patienten aber alle Aktivitäten der einzelnen Fächer zusammenwirkten.
MedUni Wien, Uni Wien, TU Wien sowie weitere Partner sind derzeit dabei, ein Forschungsinstitut für "Digital Health to Increase Patient Safety" zu gründen, das die bestmögliche Umsetzung digitaler Technik in der Medizin zur Steigerung der Patientensicherheit untersuchen soll. Markstaller nannte dazu als Beispiele neue technische Möglichkeiten, um auf einfachem Weg Patienten nach der Entlassung aus der Intensivstation weiterhin engmaschig zu überwachen und die Telemedizin. Eine telemedizinische Verbindung zwischen Notarzt im Rettungswagen und Klinik kann helfen, Spezialistenwissen schon an den Einsatzort zu bringen und eine Therapie frühzeitiger anlaufen lassen. "Ziel ist es, zu erforschen, wie man die digitale Technik in Prozesse in den klinischen Alltaghineinbekommt."
Auch die Patienten und ihre Angehörigen können wesentlich zur Steigerung der Sicherheit beitragen. Brigitte Ettl wünscht sich zum Beispiel, dass Kranke ihre Ärzte fragen, ob sie vor medizinischen Handlungen die entsprechende Händehygiene betrieben hätten. "Herr Professor, haben sie sich ihre Hände desinfiziert?" Sehe ein Patienten im Spital in der Medikamentenschachtel plötzlich ein ihm unbekanntes Arzneimittel, sollte es nicht geschluckt, sondern nachgefragt werden. Und schließlich sollten möglich oft Angehörige bei Patientengesprächen dabei sein.