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In Europa etablieren sich zunehmend Spezial-Messenger für den Gesundheitsdienst. Neben dem Thema Datensicherheit sind Werkzeuge wie spezielle Viewer für bildbasierte Befunde oder Tools für die Therapiedokumentation wichtige Auswahlkriterien. In Österreich stehen die Kommunikations-Apps erst am Anfang.
Auf den ersten Blick scheint die Alltagssituation an einer heimischen Universitätsklinik unproblematisch. Eine Gruppe von Assistenzärzten nutzt WhatsApp zur Absprache bei Diensttäuschen. Einer der Doktoren verschafft sich nach längerem Urlaub einen Überblick über den Gesundheitszustand seiner PatientInnen.
Leider verschlechtert sich der Zustand eines als unkritisch eingestuften Patienten. Die hämodynamischen Werte fahren Karussell. Der Arzt benötigt die gesamte Krankengeschichte und greift zum Smartphone. Über WhatsApp befragt er seine KollegInnen. Er ist aufmerksam genug, zum Persönlichkeitsschutz des Patienten dessen Namen abzukürzen. Und dennoch balanciert er am Rande des Gesetzes.
Die klassischen Messenger-Dienste WhatsApp, Signal oder Telegram genügen einfach nicht den Maßstäben des gesteigerten Datenschutzes im Gesundheitsdienst. Zudem hat der Spitalalltag höhere Ansprüche abzudecken, als einen Schnappschuss an die eigenen Freunde zu senden.
Und trotzdem wird der Messenger-Dienst WhatsApp im Klinikalltag fast so oft verwendet wie im Privatleben. Eine Umfrage des Deutschen Datenschutzinstitutes DDI unter 353 Ärzten zeigte, dass 98 Prozent der Befragten WhatsApp auch beruflich einsetzen. Und dabei ging es oft um mehr als bloße Dienstpläne:
Die Hälfte der Befragten versandte auch Patienten-Daten, Laborbefunde oder Röntgenbilder an Kollegen. 84% gaben immerhin an, dabei die Identität der Patienten zu verbergen. Schlechtes Gewissen ist dabei offensichtlich ständiger Begleiter: Zwei Drittel der MedizinerInnen waren wegen möglicher Verstöße gegen den Datenschutz beunruhigt.
Fakt ist: Wenn die Technologie nicht den strengen Datenschutzanforderungen entspricht, besteht für die Patientendaten ein hohes Risiko, ungeschützt im Netz zu landen. Dabei greift eine Weisheit, die aus Binsen geflochten scheint: Niemals Privates mit Beruflichem vermischen. Der Gebrauch des zum Facebook-Konzern gehörenden Messenger-Dienstes von WhatsApp mag für die Ablauforganisation eines Hobbyvereins geeignet sein. Für den Einsatz im Gesundheitsbereich – und sei es nur zur Anmeldung in der Kantine – braucht es spezielle Messengerdienste.
Die Notwendigkeit medizinischer Kommunikationssoftware im Spitalsbereich ist in Österreich angekommen. Das Universitätsklinikum Tulln setzt den klinischen Messenger „Join“ seit drei Monaten ein. Die Kommunikationssoftware des deutsch-japanischen Unternehmens Allm Inc. sichert seither den Workflow des Instituts für Radiologische Diagnostik und Intervention. Der Spezial-Messenger wird dort im Rahmen der „Akuten Schlaganfallversorgung Niederösterreichs“ sowie zur internen Kommunikation zwischen Ärzten und Radiologie-Technologen eingesetzt. „Die Sicherstellung der Datenschutzanforderungen war uns ein wichtiges Anliegen.
Und sie war ein langwieriger Prozess“, schildert Christian Našel die Einführungsphase. Našel ist Leiter des Institutes, in dem das Pilotprojekt umgesetzt wird. Bis jetzt gebe es „nur positive Erfahrungen mit der App, vor allem beim datenschutzkonformen Austausch qualitativ hochwertiger Bilddaten.“ Der Primar unterstreicht, dass „die Anonymisierung der Daten bereits im Klinik-Netzwerk erfolgt und somit keine Patientendaten das Klinikum verlassen.“ Tulln nimmt damit eine absolute Vorreiterrolle ein.
Es gibt keine genauen Angaben, wie viele Klinik-Messenger in Österreich bereits eingesetzt werden. Befragt man die Vertreter und PR-Agenturen der wichtigsten Anbieter (siehe Kasten), ergibt sich für die Apps eine Zahl in den niedrigen Tausendern, die in den heimischen Gesundheitseinrichtungen verwendet werden. Medizinische Messenger stehen in Österreich erst in den Startlöchern.
Der Sicherheitsanspruch ist bei klinischen Messengern inzwischen selbstverständlich. „Alle Anbieter, die sich mit ihren Messenger-Diensten direkt an Kliniken richten, berücksichtigen die DSGVO“, schreibt der Neuro-Radiologe Adrian Ringelstein (Kliniken Maria Hilf, Mönchengladbach) im Fachblatt eHealthcom. Um dem klinischen Alltag mit seinen Kommunikationsbedürfnissen gerecht zu werden, sollten die Messenger „interoperabel, leicht skalierbar und Off-Prem, also außerhalb der Krankenhausräumlichkeiten, nutzbar sein.“
Und die Dienste müssen problemlos in das klinikinterne IT-System – egal ob KIS, RIS oder PACS – integriert werden. Bei den vielen Spezialanforderungen des Gesundheitsdienstes dürfen die klassischen Kompetenzen der Chat-Services nicht vergessen werden: Ganz gewöhnliche Frage-Antwort-Postings, Therapiebestimmungen, Terminabsprachen bis hin zur Verabredung zum gemeinsamen Mittagessen – klinische Messenger-Dienste müssen den gleichen kommunikativen Anforderungen nachkommen wie WhatsApp oder Signal.
Chat, File-Sharing, Sprach- und Video-Telefonie repräsentieren die Basics. Weniger Basic, sondern sehr hochgestochen sind die Ansprüche an die Bildauflösung: Bei den klinischen Messengern wird besonderer Wert auf eine hohe Foto-Qualität bei der Übermittlung medizinischer Bilddaten gelegt. Auch sollte ein strukturierter Empfang von Daten wie z.B. Diagnosebildern, EMR-Informationen, Fall-Listen oder Labordaten möglich sein. Darüber hinaus bieten auf den Gesundheitsdienst zugeschnittene Messenger den zugelassenen NutzerInnen schnelle und unkomplizierte Möglichkeiten, Daten von PatientInnen bzw. Teile der Aufnahmen zu schwärzen. Auch werden die versandten Daten verschlüsselt und nach 30 Tagen automatisch gelöscht.
Die Ersteinführung eines medizinischen Messengers verläuft in der Regel sehr gleichförmig: In der Praxis wird der klinische Messenger meist von einer Abteilung getestet und später vom gesamten Krankenhaus verwendet. Externe MitarbeiterInnen wie Rettungspersonal oder Hausarztpraxen werden in der zweiten Phase des Roll-outs eingebunden. Um eine multidisziplinäre Vernetzung zu gewährleisten, sollte der Messenger in seinem Adressatenkreis einfach erweiterbar sein.
Medizinische Messenger vernetzen rechtskonform und spontan Daten und liefern lebenswichtige Informationen. Dadurch finden sich viele, im besten Fall alle Akteure einer Abteilung auf dem gleichen Informationsstand.
Eine Spezialität jeder klinischen Kommunikations-Software sollte ein DICOM-Viewer ein: DICOM steht für „Digital Imaging and Communications in Medicine“ und ist ein internationaler Standard für medizinische Bildgebung. Er ermöglicht es, bildhafte Untersuchungsergebnisse in hoher Qualität auf das Smartphone zu streamen und dort abzurufen. Datensätze aus der Computertomografie und der Magnetresonanztomografie können so über die hausinterne IT unkompliziert unter Berechtigten geteilt werden.
Ebenso ist das Ansehen und Teilen von Live-Streaming-Videos (Notfallaufnahme, Intensivstation, Patientenmonitore, EKG, Vitalwerte etc.) über den medizinischen Messenger möglich. Die Klinik-Apps übernehmen auch zunehmend wichtige Funktionen in der Therapiedokumentation.
In Time Stamps können notwendige Behandlungsschritte erfasst und auf den Workflow des Behandlungsteams abgestimmt werden. Anschließend lassen sich die Zeiten zwischen den unterschiedlichen Schritten analysieren und optimieren.
Es geht um Menschenleben.
Julia Opstals ist für Product & Business Development in der DACH-Region bei Allm EMEA verantwortlich: „Mit dem klinischen Messenger werden Informationen nicht nur mobil und strukturiert erfasst, sondern es werden auch auswertbare Daten gesammelt.“ Dies ist im klinisch-medizinischen Alltag von hoher praktischer Relevanz: Die gewonnene Information kann als Basis für klinische Studien weiterverarbeitet werden. Außerdem ist es möglich, die App mittels Online-Fragebögen in der Patientennachsorge einzusetzen. Weitere typische Einsatzgebiete – neben den Chatfunktionen – liegen in der Vernetzung von Krankenanstalten mit niedergelassenen Ärzten und der Nutzung des Messenger-Dienstes als Zuweisungs-Tool. Auch Medizinstudenten verwenden das System um anhand realer, anonymer Krankheitsbilder bereits erworbenes Wissen zu testen und Entscheidungen die Behandlung betreffend zu üben.
Anwender unterscheiden zwischen organisationsgebundenen Messengern und dezentral herunterladbaren Apps. Bei organisationsgebundenen Lösungen wird die Software von der Krankenanstalt zur Verfügung gestellt. Die Daten liegen auf einem eigenen Server, sind in die Klinik-IT eingebunden und bieten so die Möglichkeit, im Falle eines Austritts des Gesundheitspersonals oder bei Verlust des Gerätes den Datenschutz zu gewährleisten. Bei den dezentralen, für den einzelnen Anwender auch kostenlosen Download-Apps sind die DSGVO-Anforderungen zwar auch erfüllt, die Daten lagern aber auf externen Servern.
Je nach Anbieter und gewähltem Paket lassen sich die Apps außer auf dem Smartphone auch auf dem Laptop sowie Desktop bedienen. Die Zutrittsmöglichkeiten sind je nach Anbieter unterschiedlich gelöst: Die App ist bei einigen Anbietern nur über einen PIN-Code, Touch-ID oder Face-ID zugänglich. Bei anderen Entwicklern müssen die UserInnen ihre Zugehörigkeit zur Berufsgruppe nachweisen. In organisationsgebundenen Systemen erfolgt die Zuweisung der Nutzer meist durch die verantwortliche Krankenanstalt. Unterm Strich bleibt die Tatsache, dass die Einführung eines medizinischen Messengers eine strategische Entscheidung der Klinikführung sein muss – unabhängig davon, ob organisationsgebunden oder individueller Download. Kommunikation braucht Sicherheit.