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Nanomaterialien und -partikel spielen in immer mehr Produktions- und Wirtschaftszweigen eine Rolle. Obwohl sie im pharmazeutischen und biotechnischen Bereich oder auch bei Oberflächenbeschichtungen ein hohes Anwendungspotenzial aufweisen, stellt die Messung und Charakterisierung der Partikel noch immer eine Herausforderung dar. Ein Grazer Start-Up hat seinen ersten Sensor und Laser-Messtechnologie vorgestellt, die die Partikel-Charakterisierung in Echtzeit schaffen.
Natürlich vorkommende Nanopartikel dienen etwa dem Nährstofftransport in Organismen. Künstlich produziert erlauben sie die Optimierung unterschiedlichster Produkte und auch medizinische Wirkstoffe. Für die Therapie und Diagnostik werden Nanopartikel als Wirkstoffträgersysteme immer wichtiger - man denke nur an den neu zugelassene COVID-19-Vakzine, bei denen die essenzielle messenger-RNA (mRNA) nach der Impfung über Nanopartikel zu ihrem Zielort gelangt.
Bei anderen Arzneimitteln können mithilfe von präzise abgestimmten Nanopartikeln die Aufnahme- und Bioverfügbarkeit verbessert und Nebenwirkungen reduziert werden. Damit die künstlich hergestellten Partikel, die zigfach kleiner als der Durchmesser eines Haares sind, ihre Wirkung voll entfalten können, müssen jedoch die Größe, ihre Form und auch die Konzentration haargenau gestaltet werden. Eine der größten Anforderungen stellt die Kontrolle von Nanopartikeln während des Herstellungsprozesses dar. Doch herkömmliche Charakterisierungsmethoden sind noch immer unbefriedigend weil aufwendig.
Dieser schwierigen Aufgabe hat sich das Grazer Deep-Tech-Unternehmen Brave Analytics GmbH, das seinen Anfang an der Medizinischen Universität Graz genommen hat, gestellt. Nach acht Jahren Forschungs- und Entwicklungstätigkeit präsentierte das Start-Up, das 2020 als Spin-off der Medizinischen Universität Graz gegründet wurde, erste Sensor-Prototypen.
Sie sind darauf ausgerichtet, die Vermessung und Charakterisierung der Partikel im industriellen Herstellungsprozess zu verbessern. Der neue Zugang biete einen wesentlich tieferen und vor allem schnelleren Einblick in die Nano-Welt als herkömmliche Referenzprodukte und dies kontinuierlich in den Herstellungsprozess integrierbar, teilte die Med-Uni per Aussendung mit.
Zur Analyse der Teilchen nutzt die Gruppe von Forschern die Kraft von Laserlicht. Die Lichtpartikel - die Photonen - tragen Kräfte in sich, die für Menschen nicht spürbar sind, in der Nano-Welt aber durchaus Wirkung erzielen können: Sie können Nanopartikel in Flüssigkeiten bewegen, abbremsen oder auch beschleunigen. Wird ein exakt dimensionierter Lichtstrahl auf die Partikel gerichtet, verändert die "optofluidische Kraftinduktion" Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit der Teilchen. Die von den Forschern entwickelte Technologie (Opto Fluidic Force Induction Technologie, OF2i) erfasst diese minimalen Veränderungen praktisch "live": Mithilfe des lichtbasierten Durchflussverfahrens kann man beobachten, wie Lichtkräfte auf die Nanopartikel wirken und aus ihren Bewegungsmustern anhand von ausgeklügelten Logarithmen auf die Größe, Form und Beschichtung der Teilchen rückschließen.
Ziel ist es, dass die Sensoren, die in den Herstellungsprozess integriert werden, kontinuierlich und automatisch Nanopartikelcharakterisierungen durchführen. "Pharmazeutische, biotechnologische und medizinische Produkte, Kosmetika, Papier, Farben, Oberflächenbeschichtungen, Schmierstoffe und vieles mehr können durch die Anwendung von Nanoprinzipien radikal optimiert werden", stellte CEO Christian Hill die Anwendungsgebiete dar. "Im Bereich Pharma- und Bioindustrie kann es von Reinstwasseruntersuchungen bis zur Qualitätskontrolle von Emulsionslösungen, parenteraler Ernährung, Infusionslösungen bis zur Bestimmung von Mikroplastik in Babyflaschen reichen", illustrierte Ruth Prassl vom Lehrstuhl für Biophysik des Gottfried Schatz Forschungszentrum der Med-Uni Graz die Einsatzmöglichkeiten.
Die ersten beiden Prototypen der Sensoren sind bereits im Nanomedizinforschungsteam am Lehrstuhl für Biophysik im Einsatz. Sie werden im Rahmen des von Spanien aus geleiteten, EU-finanzierten Projekts"NanoPat" (Process Analytical Technologies for Industrial Nanoparticle Production) weiter optimiert: In Kooperation mit Fluidinova S.A. aus Portugal geht es in einer Fallstudie um die Charakterisierung von Hydroxylapatit. Dieser Stoff wird vor allem in der Zahnmedizin und für orthopädische Implantate eingesetzt. In der zweiten Studie mit den griechischen Kollegen von Creative Nano geht es um Electroplating. Dabei wird ein Stoff in einem elektrolytischen Bad behandelt und seine Oberfläche mit einem anderen Material bedeckt. Hier könne die OF2i-Technologie schon im Elektrolytbad die Konzentration der einzelnen Nanopartikel kontinuierlich analysieren. Im Rahmen des Gesamtprojektes steht dem Konsortium für insgesamt vier Jahre ein Forschungsvolumen von rund fünf Millionen Euro zur Verfügung.