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Sind Wirk­stoff­ver­schrei­bungen eine "Gefahr für Patienten"?

3. Februar 2022 | APAMED (APA-OTS)

Als "Patientengefährdung" bezeichnete Johannes Steinhart von der Österreichischen Ärztekammer Pläne des Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein (Grüne), dass Mediziner den Patienten nur Wirkstoffe verschreiben sollen, und die Apotheker frei wählen, ob sie ihnen diese als Pulver, Tropfen oder Tabletten mitgeben. "Völlig ohne Not" würde "versucht, die höchst vernünftige und bewährte Trennung der Rollen von Arzt und Apotheker aufzuheben", sagte er Donnerstag vor Journalisten.

Man sehe sich als Ärzteschaft in der Pflicht, "auf diese gefährliche Entwicklung aufmerksam zu machen", erklärte Steinhart. Eine von Mückstein und dem Rechnungshofausschuss des Nationalrates vorgeschlagene Praxis der "Wirkstoffverschreibung" würde bedeuten, dass Ärzte nicht ein spezielles Arzneimittel, sondern nur den darin erhaltenen Wirkstoff verordnen können.

"Eine Arzneimittelspezialität ist aber mehr als nur ein Wirkstoff", sagte Ernst Agneter von der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien. Dieser sei zwar der wohl wichtigste Inhaltsstoff, wie er sich im Körper verhält, wäre aber "ganz massiv durch die anderen Bestandteile beeinflusst". Deshalb würden von den Arzneimittelbehörden auch nicht einzelne Wirkstoffe begutachtet und zugelassen, sondern gesamte Arzneimittel mit all ihren Hilfs- und Hüllstoffen.

Es gäbe zum Beispiel bei Augentropfen Darreichungsformen mit und ohne Konservierungsmittel, so Agneter. Wenn der Arzt von einem Patienten etwa weiß, dass er gegen gewisse Substanzen allergisch ist, könne er ihm derzeit die Tropfen in Einfachdosen ohne Konservierungsmittel verschreiben. "Das geht aber nur bei einer Arzneimittelverordnung, nicht bei einer Wirkstoffverordnung", betonte er.

Auch der Tiroler Allgemeinmediziner Edgar Wutscher zeigte sich davon irritiert, "dass der Apotheker abgeben kann, was er für gut empfindet", sagte er. Auch er bezeichnete dies dezidiert als "Patientengefährdung". Bei einer Visite im Altersheim habe er einer Patientin mit schwerer Schluckstörung Penicillin in Form von wasserlöslichem Pulver verschrieben. Am folgenden Tag wäre er dort empört darauf angesprochen worden, wie er jener Patientin die "Riesentabletten" zumuten könne, die sie bekommen hatte. Er habe daraufhin in der Apotheke angerufen und zu hören bekommen, dass man dort "vor der COVID-19 Pandemie viele Penicillintabletten eingekauft habe", und "schauen müsse, dass man die loswird".

In einem anderen Fall bekam ein Patient ein Antidepressivum in Form von drittelbaren Tabletten verordnet, weil er täglich eine drittel Tablette schlucken sollte, berichtete Wutscher. "Der Patient bekam in der Apotheke ein nicht teilbares, wirkstoffgleiches Medikament", sagte er: "Gottseidank rief er den Arzt an, dass er es nicht teilen kann, und nahm nicht die dreifache Dosis".

Viele ältere Patienten wären auch daran gewohnt, etwa "die rote Tablette für den Blutdruck am morgen, die weißen Pillen dreimal am Tag, und die grüne Kapsel am Nachmittag zu schlucken", so Wutscher. Sie würden sich nicht mehr auskennen, wenn sie in der Apotheke Medikamente in anderen Formen und Farben bekämen. "Ein häufiger Wechsel von Handelspräparaten hat negative Auswirkungen auf die Compliance und erhöht das Risiko von Fehl- und Mehrfacheinnahmen", kritisierte die Ärztekammer in einer Resolution.

Ab dem kommenden Samstag wolle man daher mit der Informationskampagne "Gegen Wirkstoffverschreibung - für Patientensicherheit" die Öffentlichkeit zu dem Thema sensibilisieren.

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