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Beuschel auf den letzten Metern

5. Januar 2023 | Norbert Peter
Köchin in Krankenhausküche.
Köchin in Krankenhausküche.

Von der Küche ans Krankenbett: Die Logistik ist gefordert, damit in einem Krankenhaus alle rechtzeitig und qualitativ hochwertig ihr Essen bekommen.

Eure Nahrung sei eure Medizin und eure Medizin sei eure Nahrung“, meinte bereits Hippokrates von Kos, Arzt der Antike. Das Essverhalten der Österreicher trotzt diesem Leitspruch im gelebten Alltag – falsche und schlechte Ernährung begünstigt zahlreiche Zivilisationskrankheiten. Auch eine jener Herausforderungen, denen sich die Großküchen in Kliniken stellen müssen. Und ein weiterer Aspekt wirft seinen Schatten auf die Ernährungssituation in Krankenhäusern. Der nutritionDay, heuer war es der 10. November, ist der Tag im Jahr, an dem viele Gesundheitseinrichtungen freiwillig ihre Daten zur Verfügung stellen, um einen weltweiten Vergleich zu bekommen: Wie hoch ist der Anteil an Patientinnen und Patienten, die unter Mangelernährung leiden?

 

Hoher Anteil an Mangelernährten

In Österreich beteiligt sich daran unter anderem das Elisabethinen-Krankenhaus in Klagenfurt. Das Ergebnis ist bedenklich: „Mehr als ein Drittel aller stationären Patientinnen und Patienten in unserem Krankenhaus ist als mangelernährt einzustufen“, sagt Renate Kruschitz, Ernährungsmedizinerin ebendort. Es könnte schlimmer sein: Anderswo in Europa gibt es Kliniken mit 50 Prozent an Betroffenen. In der „Malnutrition Awareness Week“, der Woche des Bewusstseins für Mangelernährung, will man eine Sensibilität für das Thema schaffen. Letztlich bedeutet sie unter Umständen nicht nur einen längeren Krankenhausaufenthalt, sondern auch eine schlechtere Prognose die Heilung betreffend. Es braucht also ausreichend Energie, Proteine und andere Nährstoffe über die Nahrung, damit das Gleichgewicht zwischen Nährstoffzufuhr und Nährstoffbedarf nicht gestört wird.

In der Klagenfurter Klinik erarbeitet ein multiprofessionell zusammengesetztes Ernährungsteam bei Bedarf eine Ernährungstherapie. Diätologen, Pflegekräfte, Ärzte und die Krankenhausküche sondieren diverse Therapiemöglichkeiten wie zum Beispiel den Einsatz von speziellen Kostformen, die Verwendung hochkalorischer Trinknahrung oder Module zur Eiweißanreicherung.

 

Schauplatzwechsel

„Als ich vor 30 Jahren hier begonnen habe, wurden vom Beuschel 500 Portionen bestellt, heute sind es noch maximal 100“, erklärt Renate Vielmetti. Sie ist Küchenleiterin im Landesklinikum Mauer in Niederösterreich. In ihren Bereich fällt damit auch das Pflege- und Betreuungszentrum Mauer. Zu Mittag müssen rund 830 Essensportionen serviert werden, 180 davon gehen außerdem an die Mitarbeiter und eine geringe Anzahl an externe Abnehmer wie etwa die Volksschule im Ort. Auch die Studierenden am Bildungscampus mit 264 Ausbildungsplätzen werden mitversorgt.

Die Patienten und Bewohner können täglich aus drei Wahlmenüs wählen, aus diesen leiten sich alle notwendigen Diätformen und konsistenzdefinierten Menüs ab – Seniorenkost, breiig passierte Kost und weiche Kost, je nach Schluckfähigkeit der Patienten. Damit ist in der 2.100 Quadratmeter großen Küche ein 40-köpfiges Team beschäftigt.

 

Vegetarische Kost auf der Überholspur

Eine der Speisen könnte das oben erwähnte „Beuschel“ sein, eine ost-österreichische Spezialität, bei der Innereien, vor allem die Lunge vom Rind, Kalb oder Schwein, verarbeitet werden. Wobei Vielmetti darauf hinweist, dass generell vegetarische Speisen auf dem Vormarsch sind: „Vor 30 Jahren wurden täglich etwa 30 fleischlose Gerichte bestellt, heute sind es rund 180. Auch versuchen wir bei der Normalkost den Fleischanteil zu verringern.“ Auch das Beuschel gibt es mittlerweile ohne Fleisch: Wurzelgemüse, Pilze und Essiggurkerln ersetzen die Innereien. Man trachtet, den Gemüse- und Ballaststoffanteil zu erhöhen. Auch bietet man mehr Vielfalt: Dominierten früher Nudeln und Reis, so findet man heute auch Perlweizen, Wildreis, Dinkel, Samen, Kürbiskerne und Sonnenblumenkerne am Menüplan. Das Landesklinikum legt viel Wert darauf, dass Lebensmittel aus der Region und wenn möglich mit Bio-Qualität eingekauft werden. Der Bio-Anteil lag im Jahr 2021 bei 39,6 Prozent. Diverse Milchprodukte wie biologische Rohmilch, Jogurt oder Topfen kommen ebenso aus der unmittelbaren Umgebung, nämlich dem Mostviertel, wie beispielsweise das Bio-Fleisch von Schwein, Rind und Kalb, Wild, Kartoffeln, rote Rüben, Äpfel, Birnen, Kirschen und Eier. Auch sticht die Küche dadurch hervor, dass vieles selbst gemacht wird. „In liebevoller Handarbeit“, wie man verspricht, produzieren die Köche, Bäcker und Konditoren selbst unter anderem Aufläufe, warme Mehlspeisen, Kuchen, Terrinen, Brot und Gebäck. Das wird ergänzt durch einen kleinen Anteil an Convenience-Produkten wie Kartoffelpüree, Tiefkühlgemüse und ähnlichem.

Eine beachtliche Menge an Lebensmitteln wird täglich verarbeitet: 1.200 Kilo an einem Tag für drei Mahlzeiten plus Gebäck. Dieses setzt sich zusammen aus 50 kg Mischbrot, 600 Semmeln und 500 Formgebäck (Sesamweckerl, Salzstangerl, Kipferl). Eine Besonderheit erfordert in Mauer allerdings eine wohldurchdachte Logistik: Die historische Anlage, in der man heuer das 120-Jahr-Jubiläum sowie die Eröffnung des Bildungscampus Mostviertel feierte, verteilt sich über 90 Hektar. Insgesamt 19 Häuser mit 30 Stationen müssen in diesem einzigartigen Jugendstil-Ensemble mit Essen beliefert werden. Auf dem noch von Kaiser Franz Josef eröffneten Areal sind 42 Transportwagen notwendig, die auf LKW verladen werden, um Speisen auf Tablett-Systemen von den Andockstationen in der Küche in die unterschiedlichen Häuser zu bringen.

 

Cook and Chill

Dort gelangen die Speisen dann zur Verteilung. Zu Mittag üblicherweise nach dem Prinzip des „Cook and Serve“ (Kochen und Servieren): Gleich nach dem Garen wird serviert, was zu einer hohen Frische-Qualität führt. Eine weitere Methode stellt das „Cook and Chill“ (Kochen und Kühlen) dar: Hier folgt dem Garvorgang eine rasche Abkühlphase, um die Speisen haltbar zu machen, zum Beispiel für das Abendessen. Vor dem Servieren folgt noch der Vorgang des Regenerierens, wie die Fachleute das Erwärmen auf mindestens 70 Grad nennen, um die Speisen auf Verzehrtemperatur zu bringen. Begleitet werden all diese Vorgänge von jeder Menge Kontrollen, um die nötige Qualität zu garantieren, wie mikrobiologische Proben, PH-Wert-Messungen beim Salat bis hin zu Temperaturaufzeichnungen bei den Speisetransportwägen und den Spülmaschinen und vieles mehr. Schulungen halten das Personal zusätzlich fit.

„Wir wollen so wenig wie möglich Vitamine und Nährstoffe verlieren, frisch kochen und zu lange Warmhaltezeiten vor dem Portionieren vermeiden. Wir setzen auf kurze Transport- und Ausgabezeiten“, erläutert die erfahrene Küchenchefin die Strategie. Mittels einer Computer-unterstützten Bedarfsanforderung wird ein Sieben-Wochen-Plan erstellt. Da dort sämtliche Rezepturen hinterlegt sind, kann die Menge genau berechnet werden. Diese Effizienz spart nicht nur Geld beim Einkauf, sondern stellt auch einen Beitrag zur Abfallvermeidung dar.

 

United against Waste

Was auch gut zur Teilnahme an „United against Waste“ passt: Diese branchenübergreifende Plattform wurde 2014 gegründet, um vermeidbare Lebensmittelabfälle in Küchenbetrieben bis 2030 auf die Hälfte zu reduzieren. Dieses Ziel will man unter anderem mit einem Abfall-Monitoring-Programm, Broschüren und Workshops erreichen.

Auch der Wiener Gesundheitsverbund nimmt seit 2018 an diesem freiwilligen Monitoring-Programm teil. Potenzial zur Optimierung gibt es, wenn man bedenkt, dass täglich tausende Patienten, Bewohner und Mitarbeiter versorgt werden wollen. Im Jahr 2021 wurden dafür zum Beispiel 761.000 Liter Vollmilch und 51.000 Kilo Reis benötigt, täglich 690 kg an Brot und Gebäck. Man setzt auf Informationsaustausch und die Zusammenarbeit von Station, Küche, Diätologen und Abfallbeauftragten. Und das alles vor beachtlichem Zahlen-Hintergrund: Das Deutsche Krankenhausinstitut hat für 2018 in einer Studie errechnet, dass in den deutschen Kliniken pro Patient durchschnittlich 5,14 Euro täglich an Warenkosten ausgegeben wird – für Frühstück, Mittagessen und Abendessen zusammen.

Der unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. erarbeitete „Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP)“ dient zum Beispiel auch dem Wiener Gesundheitsverbund als Basis für das Verpflegungsangebot. 


Quelle: ÖKZ, 63. JG, 12/2022, Springer-Verlag.


Quellen und Links zum Weiterlesen:

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