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Die Ärztekammer läuft weiter gegen die von Bund, Ländern und Sozialversicherung geplante Gesundheitsreform Sturm. Sie fürchtet ihre Entmachtung bei Kassenstellen und Gesamtvertrag, aber auch die kommende Pflicht zur Wirkstoff- statt Arzneimittelverschreibung. Präsident Johannes Steinhart ist derzeit auf Lobbyingtour gegen das Gesetz. Am Nachmittag gab die Kammer weitere Mittel für eine Kampagne frei. Auch die Kündigung der Gesamtverträge rückt näher.
Bereits kommende Woche soll das auch von ÖVP-Regierungsseite unterstützte Vorhaben den Ministerrat passieren und als Regierungsvorlage im Nationalrat eingebracht werden. Parallel zum Finanzausgleich soll es dann noch im Dezember beschlossen werden. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wollte sich nach dem Ministerrat nicht einmischen. Er höre aber, man sei bei den Verhandlungen auf einem "sehr guten Weg".
Die Ärztekammer stößt sich daran, dass die Reformpläne lange geheim gehalten wurden und auch keine Begutachtung geplant ist. Steinhart kritisierte in diesem Zusammenhang erneut Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Dessen Vorgehen sei eine "ziemliche Breitseite und eine Aufkündigung der Sozialpartnerschaft".
Auf den Aspekt, dass die Ärzte ihren Patienten künftig standardmäßig nur noch Wirkstoffe und nicht bestimmte Präparate verschreiben sollen (die Mediziner können auf ein bestimmtes Medikament beharren, müssen das dann aber maschinenlesbar vermerken), ging Steinhart am Mittwoch ein. Man warne davor schon lange, denn es entstünden gerade bei älteren Patienten Probleme, wenn sie plötzlich ein anders gefärbtes oder anders zu portionierendes Produkt bekämen. Die Kammer sieht dadurch die Patientensicherheit gefährdet.
Vizepräsident Edgar Wutscher bekräftigte dies. "Patienten kennen sich nicht mehr aus, und da nützt eine Aufklärung nichts." Auch gebe es Fälle, in denen jemand Schluckbeschwerden habe, statt des verschriebenen Penicillinsafts in der Apotheke dann aber große Tabletten bekomme. "Da muss ich wirklich warnen, weil das zulasten der Patienten geht", so Wutscher. Für einzelne könne es gar "fatale Folgen" haben.
Als Unterstützer zog die Ärztekammer auch Ernst Agneter, Pharmakologie-Professor an der Sigmund-Freud-Privatuniversität, heran. Das Thema sei alt, in der Vergangenheit sei die Debatte unter dem Titel "Aut idem" (lateinisch für: "oder das gleiche") geführt worden.
Schon jetzt würden Hersteller in Österreich in ein Preisband gezwungen, was dazu führe, dass Medikamente lieber in anderen Ländern verkauft würden, so Agneter. Dass Österreich mit Bulgarien das letzte europäische Land ohne eine "aut idem"-Regelung sei, wischte er vom Tisch. Eben wegen der heimischen Preisregeln sei dies hierzulande nicht notwendig.
Die Ärztekammer feilt nun jedenfalls an Kampfmaßnahmen gegen die Reform, ein Aufkündigen des Gesamtvertrags mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und damit ein vertragsloser Zustand gerade im kommenden Wahljahr steht im Raum. Mittwochvormittag tagte die Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Aus den Bundesländern seien "wüste Bestärkungen" für die Proteste eingelangt, zeigte sich der zuletzt kammerintern schwer kritisierte Steinhart zufrieden.
Nach der Kuriensitzung sprach die Kammer in einer Aussendung am Mittwochnachmittag von einem finanziellen Rahmen von rund 10 Mio. Euro für eine "Informationskampagne", gespeist aus Mitteln der Landesärztekammer und der ÖÄK. Von letzterer wurde dafür eine Mio. Euro beigetragen. Wutscher kündigte ein "Vorgehen entsprechend der Bedrohungslage" an. Zudem wurde im Rahmen der Sitzung ein Memorandum verabschiedet, in dem es wörtlich hieß: "Die Anwesenden kommen einvernehmlich überein, für den Fall der Gesetzwerdung dieser Bestimmungen die Beendigung der bestehenden Gesamtverträge mit der ÖGK in die Wege zu leiten."