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Die Zahl psychischer Erkrankungen steigt seit Jahren, die Versorgungslücken werden immer größer. Dies bestätigen auch die jüngsten Daten der Patientenanwaltschaft. Die Patientenanwält:innen von VertretungsNetz stehen all jenen Menschen zur Seite, die gegen oder ohne ihren Willen an einer psychiatrischen Station im Krankenhaus untergebracht werden.
Die COVID-Pandemie hat viele junge Menschen aus der Bahn geworfen, doch der Trend der Unterbringungen zeigt schon länger nach oben: "2022 verzeichnete VertretungsNetz 2.681 Unterbringungen von Kindern und Jugendlichen. Vor zehn Jahren waren es 1.318. Das entspricht in etwa einer Verdoppelung", zeigt sich Bernhard Rappert, Fachbereichsleiter Patientenanwaltschaft, betroffen über den massiven Anstieg. Er warnt: "Die vorläufigen Zahlen für das Jahr 2023 lassen erneut einen deutlichen Anstieg befürchten". Auch bei Erwachsenen stieg die Zahl der Unterbringungen. 25.527 waren es 2022 – ein Plus von 12% über die letzten zehn Jahre. Die Zahlen gelten für alle Bundesländer außer Vorarlberg.
Obwohl heutzutage viel mehr junge Menschen stationär behandelt werden müssen, stieg die Anzahl der Krankenhausbetten in den letzten zehn Jahren im Verhältnis dazu kaum. "Die Bettenauslastung ist mittlerweile enorm. Als Konsequenz daraus können viele Patienten nicht aufgenommen werden, obwohl es nötig wäre. Oder sie werden zu früh entlassen, obwohl sie nicht ausreichend stabilisiert sind. Auf diese Weise nehmen wir Kindern die Chance, gestärkt aus einer psychischen Krisensituation herauszukommen. Der Personalmangel in den Spitälern verschärft die Situation, denn dadurch können die vorhandenen Betten gar nicht alle belegt werden", schildert Rappert die prekäre Situation.
"Hometreatment, also eine Behandlung von psychisch Erkrankten in ihrem Zuhause ist ein wichtiger Ansatz, ebenso wie ambulante Versorgungsangebote. Wir begrüßen den Ausbau von Behandlungsalternativen. Für Akutsituationen muss es im Spital natürlich trotzdem genügend Ressourcen geben. Niemand in einer akuten Krise – etwa mit Suizidgedanken – darf fortgeschickt werden", appelliert Rappert, die stationäre Versorgung nicht aus dem Blick zu verlieren.
Gleichzeitig muss noch viel mehr in die Prävention psychischer Erkrankungen investiert werden. Monatelange Wartezeiten auf Therapieplätze für Kinder und Jugendliche bzw. eine Behandlung nur für jene, deren Eltern sich das privat leisten können, sind ein unerträglicher Zustand. Auch eine rasche Ausbildungsoffensive für die psychiatrische Pflege sowie allgemein attraktivere Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal wären wirksame Hebel, um die Situation zu verbessern.
Auf jeden Fall braucht es eine Ausrichtung der psychiatrischen Ressourcen am steigenden Bedarf. "Das Handwerkszeug der Psychiatrie ist die zwischenmenschliche Beziehung. Dafür ist eine solide Ausbildung, Erfahrung und ausreichend Zeit für Gespräche notwendig. Die fahrlässig geringen Personalressourcen für psychiatrische Stationen lassen ein professionelles Arbeiten kaum mehr zu und müssen dringendst ausgebaut werden", so Rappert.