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Niki Popper: "Nicht wesentlich. Wir hatten immer schon Daten, die uns zur Verfügung gestellt wurden, sonst hätten wir auch nicht die Anforderungen der Pandemie bewältigen können. Aber es geht bis heute immer um einzelne Projekte und Aufträge. Es gibt keine vernetzten Datenpools. Institutionen, die im Besitz der Daten sind, haben wenig Interesse, die verwalteten Daten zu teilen. Und das ist auch nachvollziehbar: Daten bedeuten Macht. Denn aus Daten kann ich unter Umständen mehr ablesen als die Tatsache, wo welche Krankheiten auftreten. Und die Spielregeln sind nicht so, dass Transparenz belohnt wird – das ist eher umgekehrt."
"Die Auftraggeber sorgen für die Datenlage. Es werden die in den Projekten erzielten Ergebnisse immer veröffentlicht. Meist gibt es aber keine Details über Ergebnisse z.B. zu einzelnen Regionen. Das ist meist aus Datenschutzgründen Teil der Verträge. Wir sind gut, wenn wir es schaffen, von unterschiedlichen Stakeholdern Daten einzusammeln. Dann können wir die Fragestellung besser modellieren. Bei einer Impfanalyse ist uns das zuletzt sehr gut gelungen."
"Über die föderalen Strukturen und die unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten haben wir schon viel gehört. Es wird sicher spannend, wie die Verhandlungen im Rahmen des Finanzausgleichs ausgehen werden. Das Problembewusstsein scheint da zu sein. Ob sich dabei etwas an der Verfügbarkeit der Gesundheitsdaten und Zuständigkeiten ändert, bleibt abzuwarten. Übertriebenen Optimismus würde ich aber nicht empfehlen."
"Die Beamten machen ihren Job. Und wer die Historie der Diskussionen um Datenschutz, Epidemiegesetz, Impfpass und sämtliche Aufregungen in der Pandemie verfolgt hat, weiß, dass es im Gesundheitsministerium gebrannte Kinder gibt. Wer zuerst den Kopf vorstreckt, lebt gefährlich. Und ich glaube, so kommt eben ein derartiger Entwurf zustande. Ich bin überzeugt, dass die Reaktion auf diese Geschichte dazu führen wird, dass derartige Passagen in Zukunft mit dem Kabinett genau abgesprochen werden."
"Datenschutz ist bei Gesundheitsdaten eine Notwendigkeit. Es gibt dafür klare Regeln und ausgezeichnete Techniken, um Daten gesetzeskonform aufzubereiten. Die Regeln der Anonymisierung kommen aber oft nicht zur Anwendung. Daher handelt es sich oft um Schutzbehauptungen, weil man die Hoheit über die eigenen Informationen nicht aufgeben will."
"Zentralisierung bedeutet immer die Entmachtung der bisherigen Datenverwalter. Die werden damit eher weniger Freude haben. Darum werden wir für aktuelle Fragestellungen Konzepte brauchen, wie wir mit IT-Infrastruktur dezentrale Daten miteinander verknüpfen können. Klar ist: Wenn wir über die digitale Zukunft des Gesundheitssystem reden wollen, müssen wir auch über die Nutzung der Gesundheitsdaten reden. Und da muss etwas passieren."
"Es ist eine Zielvorgabe, von der ich hoffe, dass sie mittel- und langfristig wirkt. Wir haben ähnliches beim Datenschutz mit der DSGVO erlebt: Sie ist als EU-Vorgabe dann sukzessive in die nationalen Gesetze eingesickert und immerhin ist so die Sensibilität gegenüber Datenschutz stark gestiegen. Auf nationaler Ebene wäre es wohl nie zu einem derartig umfassenden Umdenken gekommen. Die Absichten hinter dem europäischen Gesundheitsdatenraum sind durchaus redlich."
"Na ja. Gesundheitsdaten sind etwas sehr Heikles und sehr privat. Wenn wir über deren Nutzung reden, dann sollte es im Grunde für mich immer zuerst um Projekte im Sinne des Gemeinwohles gehen – wie auch immer man das definiert. Wenn Pharmafirmen Daten aus dem Gesundheitssystem nutzen wollen, muss es klare Regeln dafür geben und natürlich soll das die Konzerne auch etwas kosten. Und für Start-ups könnte es im Sinne von Förderungen auch spezielle Programme für Datenüberlassungen geben."
"Ich glaube, wir müssen grundsätzlich die Spielregeln ändern. Gesetze sind das eine – aber meine Erfahrung ist, dass Institutionen Daten nur zur Verfügung stellen, wenn sie auch einen Nutzen davon haben und vor allem keine Nachteile befürchten müssen. Und ein Nachteil ist in der aktuellen Wahrnehmung, wenn andere die Effizienz eines Datenverwalters kritisieren können. Deshalb brauchen wir eine Entkopplung von Datenvernetzung und Machtfragen. Sie sehen, ich habe wirklich einen Wunsch ans Christkind. Etwas realistischer ist mein Wunsch, den Erkenntnisgewinn zu beschleunigen. Deshalb arbeiten wir daran, dass unsere Modelle vorbereitet sind, bevor wir überhaupt Daten bekommen. Unser virtuelles Bevölkerungsmodell kann z.B. binnen weniger Tage neue Daten integrieren und die Auswirkungen von Interventionen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen im Status Quo und in Szenarien abbilden. Hier brauchen wir die Bereitschaft, gemeinsam weiter zu investieren. Wir müssen den Menschen vermitteln, welchen Mehrwert Forschung mit Gesundheitsdaten auch für sie hat."
Quelle: ÖKZ 08-09/2023, 64. Jahrgang, Springer-Verlag.