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Es braucht mehr als Geldgeschenke, um den ambulanten Bereich in Österreich attraktiv zu machen. Die Stabsstelle Allgemeinmedizin am Kepler Universitätsklinikum Linz entwickelt funktionierende Strategien.
Der Primärversorgung ist in letzter Zeit, verursacht durch einen zunehmenden Ärztemangel, wieder mehr Interesse entgegengebracht worden. Während Politik und Systempartner mit finanziellen Anreizen um Interessenten werben, sind es aber vor allem strukturelle Veränderungen, die unabdingbar sind, um junge Kollegen wieder mehr für die Übernahme von Stellen im niedergelassenen Bereich zu motivieren.
Im Frühjahr 2021 wurde am Kepler Universitätsklinikum (KUK) in Linz die Stabsstelle Allgemeinmedizin etabliert, die mit den beiden Autoren besetzt wurde. Beide gehen Tätigkeiten im niedergelassenen Bereich nach. Die in der ärztlichen Direktion angesiedelte Stelle hat es zum Ziel, junge Ärzte nicht nur durch die Ausbildung zur Allgemeinmedizin (AAM) zu führen, sondern die Ausbildung und die Bedeutung der Allgemeinmedizin am Kepler Universitätsklinikum sowie über die Krankenhausgrenzen hinaus strategisch zu entwickeln und zu attraktivieren.
Der inflationär verwendete Begriff „Work-life Balance“ soll so möglichst in „Life-Life Balance“ umgewandelt werden, denn schließlich darf bzw. soll Arbeit ja auch Leben sein. Strukturell betrachtet sind die Jungärzte am Kepler Universitätsklinikum direkt der Stabsstelle unterstellt bzw. wird diese organisatorisch im Sinne einer Abteilung gedacht. Dabei agiert die Stabsstelle in Abstimmung mit den verschiedensten Verwaltungsbereichen sowie der Turnusärzte-Vertretung als zentrale Anlaufstelle für sämtliche Belange der allgemeinmedizinischen Ausbildung – vom Onboarding bis hin zu einer möglichen künftigen Fixanstellung. Es wird dabei der Ansatz verfolgt, die medizinische Einrichtung Krankenhaus zielorientiert zu denken, wobei sämtliche Bereich zusammenarbeiten und als Produkt die medizinische Leistung/der medizinische Prozess steht.
Der Spielraum, der den Ausbildungsstätten im Zuge der Ausbildungsreform 2015 zugestanden wurde, wird am Kepler Universitätsklinikum so ausgelegt, dass die Ausbildung in den verschiedenen Phasen (Basisausbildung, Ausbildung Allgemeinmedizin, Lehrpraxis) entsprechend strukturiert bzw. aufbauend organisiert ist. Die Basisausbildung wird dazu genützt, erste Schritte im selbstständigen Arbeiten zu machen, um so einen möglichst sanften Einstieg in den Beruf zu ermöglichen.
Dazu trägt der zu Beginn etwas kritisch betrachtete und mittlerweile als erfolgsversprechend etablierte Einführungsmonat bei. Dieser besteht aus einer mit organisatorischen Inhalten gefüllten Einführungswoche, gefolgt von einer 3-wöchigen Orientierungsphase in einem grundlegenden diagnostischen oder klinischen Fach (Genetik, Kinder-, Jugendpsychiatrie, Labormedizin, Nuklearmedizin, Pathologie, Remobilisation, Anästhesie, Radiologie). Dieser Ansatz trägt dazu bei, den in der AM-Ausbildung nicht so präsenten Fächern (i.E. Mangelfächer) eine Plattform zu geben, um sich den jungen Kollegen zu präsentieren und damit eventuell auch fachspezifisch für Nachwuchs zu sorgen. Abgeschlossen wird der Einführungsmonat mit der Rotation in das erste konservative oder chirurgische Fach der Basisausbildung.
In der darauf aufbauenden Ausbildung zur Allgemeinmedizin werden derzeit verschiedene Ausbildungsmodelle in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fächern entwickelt, womit die Jungärzten in Zukunft einen Schwerpunkt im Zuge ihrer Ausbildung wählen können bzw. so ihre Ausbildung um individuelle Interessen erweitern können.
So ist es beispielsweise möglich, begleitend zur allgemeinmedizinischen Ausbildung sämtliche Lehrziele und Praxiszeiten des Notarztdiploms zu absolvieren, um anschließend als Notärztin bzw. Notarzt tätig zu sein. Weitere Ausbildungsmodelle mit den Schwerpunkten Geriatrie, Palliativmedizin, Bildgebung (z.B. Sonographie-Diplom), Sportmedizin, Psychosomatik sowie Schmerzmedizin sind geplant. Sehr positiv soll sich auch die Einführung des Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin auswirken, dadurch wird künftig mehr Zeit für entsprechende Zusatzausbildungen vorhanden sein. Insgesamt werden sich viele Möglichkeiten ergeben, wobei es an den Ausbildungsstätten liegen wird, die Lehrzeit mit relevanten und spannenden Ausbildungsinhalten zu füllen.
Daraus ergibt sich auch eine weitere Aufgabe der Stabsstelle, nämlich die innerklinische Aufwertung der Tätigkeiten der Kollegen in allgemeinmedizinischer Ausbildung sowie die Stärkung des Bewusstseins innerhalb des Klinikums, dass eine gute Ausbildung der Allgemeinmediziner nicht eine Mehrbelastung für die Abteilungen darstellt, sondern auch im Sinne von Case- und Care Management mittel- und langfristig einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Patienten-Lenkung im Gesundheitssystem leistet und damit zu einer Entlastung der Krankenhäuser beiträgt.
Abgeschlossen wird die Ausbildung derzeit mit der Absolvierung der Lehrpraxis. Hierfür wurde ein Modell entwickelt, bei welchem die Ärzten, neben der 30h-Anstellung im niedergelassenen Bereich, mit einer Restanstellung von fünf oder zehn Stunden am Kepler Universitätsklinikum tätig bleiben und weiter Dienste verrichten können. Das Ziel der Lehrpraxis ist es, neben dem Erlernen von praktischen Inhalten vorallem auch betriebswirtschaftliche bzw. unternehmerische Lehrinhalte zu vermitteln, um Jungärzten besser auf das Unternehmertum vorzubereiten. Im Moment herrscht ein Trend zur Privatisierung der Medizin, sodass Kollegen zunehmend von privaten Betreibern von Gesundheitseinrichtungen mit fertigen Einstiegsmodellen für eine Tätigkeit als Wahlarzt abgeholt werden – eine Entwicklung, die im sozial gedachten Gesundheitssystem durchaus als kritisch betrachtet werden kann.
Nicht zuletzt deshalb ist es auch eine Aufgabe der Ausbildung zur Allgemeinmedizin, jungen Kollegen entsprechende Inhalte zu vermitteln, mit welchen sie sich fit für z.B. den Betrieb einer Kassenstelle fühlen. Dieses fehlende Know-how ist sicher einer der vielen Gründe, warum sich junge Ärzten derzeit nicht auf eine Kassenstelle einlassen wollen. Die Antworten der Systempartner fokussieren oft auf finanzielle Anreize, wobei sich hier aber im Laufe der Zeit ein Paradigmenwechsel eingestellt hat.
Für Jungärzte steht zusehends die Berücksichtigung ihrer Lebensrealität im Vordergrund. Eine zu lange Bindung wirkt unattraktiv. Ein erster Schritt wurde mit der Einführung der PVZ-Modelle sowie einem Ausbau der Gruppenpraxen bereits gesetzt. In diesem Bereich besteht aber noch deutlich mehr Potenzial. Beispielsweise muss auch in Anbetracht dessen, dass die Medizin erfreulicherweise zunehmend weiblicher wird, u.a. an Karenzmodellen im niedergelassenen Bereich gearbeitet werden bzw. sollte auch das historisch gewachsene aber nicht mehr zeitgemäße Honorar-Modell überdacht werden.
Im Hinblick auf die medizinische Ausbildung besteht eine gute Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der JKU Linz. Im Zuge der universitären Ausbildung wird bereits ein großer Fokus auf die Allgemeinmedizin gelegt, was sich im folgenden hohen Interesse an Ausbildungsplätzen zeigt. Weiters wurde in Zusammenarbeit mit den Curriculums-Verantwortlichen eine Lehrtätigkeit von Jungärzten etabliert, wobei es allen Kollegen ab Erreichen des 3. Ausbildungsjahres möglich ist, als Vortragende für allgemeinmedizinische Lehrveranstaltungen tätig zu sein – ein Angebot, welches von vielen Kollegen angenommen wird und insbesondere auch zu einem fließenden Übergang von der Universität in Richtung Klinik beiträgt.
Bei zunehmender Spezialisierung in der Medizin bedarf es auch intramural vermehrt allgemeinmedizinischen Knowhows im Sinne eines Case- und Care Managements. Erfreulicherweise ist für einige Kollegen, auch eine Anstellung als Allgemeinmediziner im Krankenhaus interessant. Ist der Fokus gesamt zwar auf die Tätigkeit im niedergelassenen Bereich gerichtet, so ist es auch ein Ziel, nach erfolgreichem Abschluss innerklinische Anstellungsmöglichkeiten strategisch zu entwickeln.
Einige Kollegen sind derzeit entweder als Stationsärztin bzw. Stationsarzt an Abteilungen oder in der zentralen Notaufnahme tätig. Die Kollegen erfüllen hierbei eine wichtige Aufgabe im Sinne einer intramuralen Primärversorgung: in der Notaufnahme durch die Bearbeitung sämtlicher allgemeinmedizinischer Fragestellungen und an den Abteilungen durch die Übernahme wichtiger Aufgaben an den Stationen, womit Fachkollegen für spezifische Aufgaben freigespielt werden.
Quelle: ÖKZ, 65. JG, 1/2024, Springer-Verlag.