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Genetisch bedingte zu hohe Cholesterinspiegel im Blut betreffen rund 4,5 Millionen Menschen in Europa. Zum Teil vom Kindesalter an drohen Herzinfarkt und Co. Doch nur 10% der Betroffenen haben eine Diagnose und kommen in Behandlung, warnen jetzt Wiener Ernährungsmediziner in einem wissenschaftlichen Beitrag. Jedes Kind sollte im Alter zwischen sechs und zehn auf den Cholesterinwert untersucht werden.
Für Kurt Widhalm, erfahrener Pädiater an der MedUni Wien und seine Co-Autorin Karin Fallmann, beide von der Österreichischen Akademie für Ernährungsmedizin in Wien, ist das Problem ziemlich unverständlich. "Die Familiäre Hypercholesterinämie wurde schon vor mehr als 130 Jahren beschrieben. So ist es überraschend, dass das Wissen über diese wichtige Stoffwechselerkrankung noch so mangelhaft ist", schrieben sie jetzt in "Current Pediatric Reviews".
Ein klassischer Fall, wie die Experten feststellen: Ein 33 Jahre alter, gesund erscheinender Mann kommt mit einem schweren Herzinfarkt ins Spital und wird durch die modernste Behandlung mit Katheterintervention und Stent gerettet. Erst im Nachhinein stellt sich heraus, dass einige seiner direkten Verwandten auch schon im Alter zwischen 40 und 55 Jahren einen Infarkt erlitten hatten. Sein Gesamtcholesterinwert ist mit 400 Milligramm pro Deziliter Blut (empfohlen mindestens weniger als 200 Milligramm) und 300 Milligramm "böses" LDL-Cholesterin (für sonst Gesunde mindestens weniger als 130 Milligramm) viel zu hoch. Gewusst hat er von diesem offenbar vererbten hohen Risiko für Atherosklerose nichts.
Diese Situation, auch in Österreich, ist für die Betroffenen brandgefährlich. Die Autoren: "Laut der wissenschaftlichen Literatur wird eine solche Familiäre Hypercholesterinämie bei 90 Prozent der jungen Patienten nicht diagnostiziert. (...) Die Häufigkeit liegt bei einer von 250 Personen." Ohne Diagnose gibt es keine Therapie, welche solche akute und lebensgefährliche Herz-Kreislauf-Zwischenfälle verhindern könnte. Dabei, so die Experten: "4,5 Millionen Menschen leben in Europa mit Familiärer Hypercholesterinämie. (...) Weltweit wird jede Minute ein Kind mit dieser Erkrankung geboren."
In den meisten Fällen wird die für die angeborene Stoffwechselerkrankung verantwortliche "Veranlagung" nur von einem Elternteil ererbt (heterozygot). Das bedeutet erhöhte, aber nicht extrem erhöhte Cholesterinkonzentrationen im Blut. "Bei dieser Erkrankungsform ist das Herzinfarktrisiko im Alter zwischen 40 und 60 Jahren erhöht. Wird auf der anderen Seite die Veranlagung von beiden Elternteilen ererbt (homozygot), ist das besonders schwerwiegend. Die Betroffenen sterben üblicherweise schon im Kindesalter an schweren Herzinfarkten. Diese Form der Krankheit ist mit eins zu 500.000 sehr selten." Die Folge sind extrem hohe Cholesterinspiegel und ein extrem frühes Atheroskleroserisiko.
"Schuld" an alldem sind Mutationen im Gen für die Aufnahmestellen (Rezeptoren) des "bösen" LDL-Cholesterins in der Leber. Sie können teilweise oder gar nicht funktionieren, wodurch der Abbau des Blutfettes nicht oder zu gering erfolgt. Das Ergebnis sind dann Atherosklerose-Plaques in den Arterien, die aufbrechen und – so in den Herzkranzgefäßen – ein Infarktgeschehen verursachen.
Dabei wäre die Diagnose einfach. Kurt Widhalm und Karin Fallmann führen an: Ein Gesamtcholesterinwert von mehr als 240 Milligramm pro Deziliter Blut (mehr als 150 Milligramm LDL) gilt bei Erwachsenen als Verdachtsmoment. Bei Kindern sind das mehr als 200 Milligramm Gesamtcholesterin pro Deziliter Blut und mehr als 130 Milligramm LDL-Cholesterin. Hinzu sollte eine Familienanamnese mit der Frage nach eventuellen Herzinfarkten oder Schlaganfällen bei direkten Verwandten im frühen Alter kommen. Schließlich kann der Gendefekt direkt per Sequenzierung identifiziert werden.
Die Therapie ist im Grunde genommen zumeist relativ einfach: Am Beginn steht eine fettarme, fettmodifizierte und ballaststoffreiche (viel Gemüse und Obst) Ernährung samt genug Bewegung. Bei den von Familiärer Hypercholesterinämie Betroffenen reicht das aber nicht aus. Das Standardmedikament sind mittlerweile milliardenfach bewährte sogenannte Statine. Zusätzlich gibt es weitere Arzneimittel, welche in Kombination mit diesen Substanzen die LDL-Konzentration im Blut noch stärker absenken. In den allerschwersten Fällen werden die extrem erhöhten Blutfette sogar per Plasmapherese regelmäßig aus dem Blut gefiltert.
Was laut den Wiener Wissenschaftlern am meisten bei der Bewältigung des Problems stört: "Familiäre Hypercholesterinämie verursacht keine klinischen Symptome. Es gibt noch viel zu wenig Bewusstsein zu dieser Erkrankung und zu dem Risiko früher Herzinfarkte und Gefäßveränderungen bei Ärzten und Betroffenen." Das treffe auch auf Familien zu, in denen Herzinfarkte und Schlaganfälle bereits im frühen Alter aufgetreten seien. Und schließlich fürchte man ungerechtfertigterweise eine eventuell notwendige medikamentöse Therapie, ohne dass belastende Symptome einer Krankheit vorliegen.