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"Eine Strukturreform im steirischen Gesundheitswesen ist unumgänglich" - mit diesem Appell hat sich am Freitag das Koordinationsgremium für medizinische Versorgungssicherheit in der Steiermark mit überaus warnenden Worten an die Öffentlichkeit gewandt. "Reformen sind jetzt zu machen", mahnte der Vorsitzende des Gremiums, Erich Schaflinger, ärztlicher Direktor bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes). Regionalpolitik müsse in die Schranken gewiesen werden.
Schaflinger nahm sich kein Blatt vor den Mund und sagte in überraschend offenen Worten, wie sehr das steirische Gesundheitswesen an der Kippe steht. Werden eingeleitete Reformen - Stichwort Spezialisierungen für Spitäler sowie Krankenhausverbünde - nicht weiter fortgeführt, "wird es in einem Jahr einen Klescher machen", so der Mediziner. "Die neue Landesregierung wird gut beraten zu sein, auf Experten zu hören und regionalpolitische Geschichten und Polemik abzustellen." Es könne nicht sein, dass jeder lokale politische Verantwortungsträger für die Aufrechterhaltung aller stationären Strukturen in seinem Einzugsgebiet lobbyiert und der Blick auf die gesamte Steiermark verloren gehe.
Bisherige Reformen, etwa bei den drei Spitalsstandorten in Leoben, Bruck und Mürzzuschlag oder auch in Bad Radkersburg oder Hartberg, hätten "viel Kritik und negative Schlagzeilen gebracht". Die Bevölkerung tue sich schwer, wenn sie mitgeteilt bekommt, dass Reformen anstehen und sie das nicht verstehen: "Ein wesentlicher Part ist die Regionalpolitik", kritisierte er. Diese würde oftmals Bürgerinitiativen aktivieren und nannte als Beispiele Mariazell oder Mürzzuschlag: "Wir haben die Tomaten um die Ohren gekriegt, negative Presse, die Bürgerinitiative ist aufmarschiert", so Schaflinger. Ähnliches sei in Mürzzuschlag passiert.
In der Spitalspolitik müsse das Management allerdings "frei agieren können - mit Deckung der Landespolitik". Letztere sei gefordert, mit "Mut und Ehrlichkeit die Reformen durchzuführen ohne Einflussnahme der Regionalpolitik". Die bisher eingeleiteten Reformen seien nur der Beginn, "der Tropfen auf den heißen Stein", es sei noch viel mehr nötig und zwar "sofort", mahnte der ärztliche Direktor. Die Strukturen seien seit der Gründung der KAGes im Jahr 1985 zu wenig geändert worden: "Da waren mindestens 20 Jahre Stillstand." Schaflinger berichtete von OP-Besprechungen, bei denen sich Chirurginnen und Chirurgen darum streiten, welcher Patient operiert werden könne und welcher weiter warten muss: "Ich bin nicht auf einem Bazar, auf dem Operationen nach Freigabe von Ressourcen erfolgen. Wir müssen das ändern", so Schaflinger.
Im Spitalsverbund Hochsteiermark würden derzeit 54 Ärzte fehlen: Als Konsequenz kündigte er an, dass ab 13. Jänner die unfallchirurgische Ambulanz in Bruck für Akutfälle geschlossen wird: "Das ist personalbedingt so. Es will keiner, weder der Vorstand noch ich, aber es ist ein Faktum." Die Frage sei, wer schuld ist: "Es können 25 Jahre Versäumnisse nicht in ein bis zwei Jahren mit einem Fingerschnipp gutgemacht werden. Leute, das könnt ihr euch abschminken: Das ist nicht so. Es ist in der Vergangenheit viel schief gelaufen und irgendwer zieht den schwarzen Peter und den haben nun wir." Es gelte zusammenzuhalten.
Er sowie das Pflegepersonal und die Ärzteschaft wollen nicht die "Prügelknaben der Nation" für politische Entscheidungen sein. Die Politik sei gewählt, um für den Bürger zu entscheiden. "Die Landespolitik in der letzten Zeit hat das auch gemacht", womit Schaflinger die drei letzten Gesundheitslandesräte Karlheinz Kornhäusl, Juliane Bogner-Strauß und Christopher Drexler (alle ÖVP) lobend erwähnte. Er hoffe, dass die Reformen nun von der neuen Landesregierung nicht blockiert werden: "Die Landespolitik muss endlich die Regionalpolitiker in die Schranken weisen. Wir haben ein veritables Problem im Gesundheitssystem und wir sind der Bevölkerung verpflichtet, das zu lösen."
KAGes-Vorstand Gerhard Stark unterstrich: "Die Demografie schlägt zu" und das Patientenaufkommen steige. Als KAGes-Management sollte er eigentlich nur verwalten. Reformschritte seien Aufgabe der Politik. In den vergangenen Jahren habe er sich dennoch eingemischt, "und viel Kritik bekommen". Es sei aber notwendig, nicht aus "sehr lokalen Bedürfnissen heraus gebremst zu sein".
In dieselbe Kerbe schlug Andrea Kurz, die seit Februar Rektorin der Medizinischen Universität Graz ist. Sie sei nach Jahren im Ausland, USA und Schweiz, nach Österreich zurückgekehrt und habe "im ersten Moment Enttäuschung erlebt": Sie fand zwar sehr gute Medizin vor, aber "veraltete Strukturen und Prozesse". Spezialisierungen und Zentralisierungen bei Spitälern seien unausweichlich. Kurz wolle in Anlehnung an den direkten Vergleich von Spitalleistungen in den USA den "Out-Come" bei Krankenhäusern vergleichbar machen. In Österreich sei das bisher überhaupt nicht der Fall. Sie meinte außerdem, dass in Österreich viel zu viel geredet werde, "aber wir kommen nicht ins Handeln".
Josef Harb von der ÖGK in der Steiermark sprach sich für eine "verbindliche Patientenstromlenkung" aus. Österreich könne zwar stolz auf die e-Card sein, aber "die geführte, effiziente Patientenstromlenkung wurde damit aufgegeben. Wir können mit der e-Card zum Physiotherapeuten mit Kassenvertrag oder zum Universitätsprofessor gehen. Da müssen wir uns nun ehrlich in die Augen schauen und sagen: Das geht nicht." Er ist der Meinung, dass Menschen zu wenig davon abgehalten werden, "sinnlos in Krankenhäuser einzufallen". Rückenwind gab es auch von der österreichischen Patientenombudsfrau Michaela Wlattnig. Sie forderte Solidarität sowohl von der Bevölkerung als auch vom Personal ein: "Es ist dringend geboten", rasch an Reformen weiterzuarbeiten.
Angesprochen auf das geplante Leitspital im Bezirk Liezen, sagte der Finanzvorstand der KAGes, Ulf Drabek, dass eine Zentralisierung in dem Bezirk beschlossen wurde und bisher rund 13 Millionen Euro in die Planung sowie in Grundstückskäufe investiert wurden. Sollte eine neue Landesregierung nun doch den Spitalsstandort Rottenmann als zentrales Krankenhaus ausbauen wollen, dürften rund vier Jahre verloren gehen. Was das für die Versorgung im Bezirk bedeute, fasste Stark in einem Satz zusammen: "Der älteste Arzt dort ist 74 Jahre. Mehr brauche ich glaube ich nicht zu sagen." Eine Zentralisierung sei in jedem Fall nötig, waren sich sämtliche Vertreter des Gremiums einig. Sie boten der neuen Landesregierung ihre Expertise an: "Fragt uns, denn Wille und Wissen ist da", so der KAGes-Vorstand abschließend.