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Das an der Innsbrucker Klinik etablierte, österreichweit in dieser Form einzigartige, Gewaltschutzkompetenzzentrum mit Gewaltschutzambulanz ist den Leitern zufolge "erschreckend gut" angelaufen. In den ersten acht Monaten seien 194 Patientinnen und Patienten betreut worden, zogen die Leiter Klaus Kapelari und Thomas Beck eine erste Bilanz. Die Institutionalisierung erlaube zudem verstärkt, sich auf "Gewaltsysteme" abseits von Initialpatienten zu fokussieren.
Unter den seit März 194 Betreuten - mit welchen rund 510 psychologische Gespräche geführt wurden - seien 83 Kinder und Jugendliche gewesen, erläuterte der ärztliche Leiter Kapelari. Vielfach habe sich gezeigt, dass sich im Falle betroffener Kinder der Kreis weiter ziehe - und es im familiären Umfeld weitere Betroffene gebe: "Es gibt dann häufig auch Gewalt zwischen den Partnern". Konkret seien in fünf von insgesamt 65 Fällen häuslicher Gewalt auch Kinder involviert gewesen. In fünf von 83 Kinderschutzfällen hätte sich dahinterliegende Partnergewalt herausgestellt. Man habe mit der Betreuung der Familien eine "Lücke" schließen können, hieß es. Unter den Erwachsenen seien indes 70% Frauen, 30% Männer gewesen, rechnete Kapelari vor. Man betreue Patientinnen und Patienten jeden Alters "eigentlich vor der Geburt bis zum Tod" - wenn man etwa an Suchtproblematik bei werdenden Eltern denke.
Man wolle Betroffenen vermitteln: "Hier wird nichts gemacht, was ihr nicht wollt", betonte Beck, psychologischer Leiter des Kompetenzzentrums. Es gehe einerseits um eine niederschwellige Anlaufstelle für Gewaltopfer, andererseits unter anderem auch um Schulung des Personals und eine dahingehende "Sensibilisierung". So würden mitunter Patienten mit nicht sofort zuordenbaren Symptomen in den Ambulanzen vorstellig werden - etwa "eine eigentlich gesunde 34-Jährige mit Bluthochdruck". Hier gelte es, nach dem "Warum" zu fragen und wachsam zu sein. Es würden intensive Schulungen innerhalb der Klinik angeboten, um dem Personal auch Handlungssicherheit zu geben. Bei der rechtsmedizinischen Gewaltschutzambulanz wiederum gehe es auch um lückenlose Dokumentation, auch für den Fall etwaiger Strafverfahren. Bei 20 der seit März betreuten Patientinnen und Patienten sei nachträglich eine polizeiliche Anzeige erfolgt.
Bisher seien Angebote für Betroffene vergleichsweise hochschwellig gewesen. Eine weitere Maßnahme dagegen sei das seit mehreren Jahren etablierte Codewort "Dr. Viola". Dieses werde, anders als ursprünglich intendiert, nicht vorwiegend in akuten Notsituationen in Anspruch genommen, sondern um niederschwellig auf Gewalterfahrungen hinzuweisen, erläuterten Kapelari und Beck. Nach einer entsprechenden Äußerung wisse das Personal genau, was zu tun sei und man werde angemessen betreut. Rund einmal im Monat werde in der Klinik nach "Dr. Viola" gefragt.
Überrascht sei er zuletzt im Übrigen auch wegen des vergleichsweise hohen Anteils von Betroffenen psychischer Gewalt gewesen, bekannte Kapelari. Dies sei auch ein wichtiger Ansatzpunkt für nötige - mitunter verstärkte - Schulungen sowohl im medizinischen Ausbildungsbereich wie auch bei weiteren Berufsgruppen wie Pädagogen. "Gewalt ist nicht nur ein Schlag", betonte er. Für weitreichendere bereits möglichst früh ansetzende Prävention wünschte sich der Kinder- und Jugendfacharzt etwa die Einführung entsprechender Fragen im Eltern-Kind-Pass. Hier könnte man Belastungssituationen rasch identifizieren und dementsprechend gewisse Risiken abfangen - Stichwort "Schütteltraumata".
Mit der in der Tiroler Landeshauptstadt geschaffenen Institutionalisierung des Gewaltschutzkompetenzzentrums sah man jedenfalls zwei wesentliche Punkte etabliert: Eine Enttabuisierung bei gleichzeitiger Wahrung der Anonymität von Betroffenen. Generell sei künftig hinsichtlich von Prävention vor allem "Bewusstsein schaffen" zentral, so Kapelari und Beck unisono. Nicht zuletzt bei Jugendlichen, die beim Umgang mit sozialen Netzwerken begleitet werden müssten - etwas, was zuletzt aufgrund der pandemiebedingten Schulschließungen gelitten habe.
Das Gewaltschutzkompetenzzentrum mitsamt rechtsmedizinischer Gewaltschutzambulanz war im März eröffnet worden. Das Projekt baut auf vorangegangenen Bestrebungen auf: Bisher gab es keine Räumlichkeiten für eine Gewaltschutzambulanz, seit 2012 existierte aber eine "Opferschutzgruppe" und seit 2019 werden Routine-Screenings durchgeführt, um Opfer von Gewalt identifizieren zu können. Das Codewort "Dr. Viola" wurde bereits 2021 eingeführt, um Gewaltopfer durch Klinikmitarbeiter "an die richtige Stelle" im Klinikareal zu schleusen.