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Christian Neubauer, IT-Leiter der Barmherzigen Brüder in Österreich, spricht im Interview über Cyber Security, Systemumstellungen, Digitalisierung und schlaflose Nächte.
Christian Neubauer: "Kurze Antwort: keines."
"Ja, wir arbeiten in einem sehr dynamischen Umfeld und ja, wir sind mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Ich denke da an die Digitalisierung des Gesundheitswesens, an die Ablöse alter Applikationen, die nicht mehr serviciert werden – und allen voran an das Thema IT-Security. Schlaf ist zu wichtig – den sollte man sich nicht rauben lassen."
"Wenn Sie mich vor einigen Jahren gefragt hätten, hätte ich das vielleicht bejaht. Aber wir haben uns früh mit der Thematik befasst. Wir haben vor vier Jahren eine IT-Security-Roadmap entwickelt und setzten diese konsequent um. Ich denke, dass wir hier in einigen Punkten weiter sind als andere Krankenhausbetreiber. Herzstück unseres Sicherheitskonzepts sind ein sogenanntes Security Information and Event Management – kurz SIEM – und ein Security Operations Center – Abkürzung SOC."
"Das SIEM überwacht unsere IT-Systeme und Applikationen. Es sendet Warnungen aus, wenn es eine Lücke in unseren Sicherheitsvorkehrungen entdeckt und eine Bedrohung identifiziert hat. Das geschieht automatisiert und rund um die Uhr. Das Ziel ist, die potenzielle Bedrohung so früh wie möglich zu entdecken, um rasch reagieren zu können. Dazu nutzen die Systeme, die das SIEM füttern, übrigens auch Künstliche Intelligenz. Die Entscheidung darüber, ob und wie reagiert wird, trifft aber nicht die Maschine, sondern ein Mensch – und dieser befindet sich im Security Operations Center. Er muss im Einzelfall entscheiden, wie mit der Warnung des SIEM umzugehen ist."
"Im Grunde genommen geht es um folgende Frage: Wie groß ist die Bedrohung wirklich? Ist es ein vergleichsweise ungefährliches Problem, das man zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Batch beheben kann, oder muss sofort gehandelt werden? Das ist in einem Krankenhaus eine sehr verantwortungsvolle Entscheidung, da es dazu führen kann, dass man ein System oder eine Applikation vom Netz nehmen muss. Sie steht dann vorläufig nicht mehr zur Verfügung. Sie können sich vorstellen, was das bedeuten kann."
"Das kommt immer auf den Einzelfall an. Wir haben eine Meldekette erarbeitet, in der festgelegt ist, wer bei welcher Thematik involviert werden muss. Dazu gehören die IT-Security, der IT-Leiter, der betroffene Fachbereich oder die betroffene Abteilung und unter Umständen auch das Top Management. Dieser Kreis entscheidet, ob es zu einer Abschaltung kommt."
"Zum Glück bislang noch nicht."
"… ja durchaus. Wir nehmen das Thema nicht auf die leichte Schulter."
Ja und nein. Die KI hilft uns sehr. Aber das funktioniert natürlich in beide Richtungen. Die KI hat kein Gewissen. Sie kann auch von den Angreifern eingesetzt werden.
"Nein, wir habe in diesem Bereich seit vielen Jahren eine andere Lösung im Einsatz. Wir haben aber dennoch ein anderes SAP-Thema, das uns derzeit beschäftigt: SAP stellt bis 2030 das Service für sein ERP-System ECC ein …"
"Und ECC wird nun durch das neue Produkt S4 Hana abgelöst. So wie viele andere Krankenhausbetreiber auch, befinden wir uns derzeit daher in einem großen Umstellungsprozess."
"Wir haben gemeinsam mit SAP eine Roadmap erarbeitet. Derzeit definieren wir die zukünftigen Soll-Prozesse und führen eine Fit-and-Gap-Analyse durch. Das bedeutet: Wie sehr entsprechen unsere Ist-Prozesse dem Ziel? Wo gibt es Lücken, und wie können wir die schließen?"
"Sie werden kleiner. Unser klares Ziel ist es, möglichst nah am Standard zu bleiben, um bei Updates weniger Probleme zu haben und auch Neuerungen gut nutzen zu können. Dazu muss ich aber auch eine Besonderheit erklären: Im Unterschied zu den meisten anderen Krankenhausbetreibern in Österreich sind wir nicht nur in einem einzigen Bundesland tätig. Unsere sieben Häuser sind auf sechs Bundesländer verteilt. Das bedeutet für die IT: Wir haben eine erhöhte Vielfalt in den Prozessen, da es in jedem Bundesland etwas andere Regularien gibt."
"Das haben Sie gesagt. Diese Komplexität in den Prozessen möchten wir als IT natürlich reduzieren. Je komplexer, desto aufwendiger. Wir verstehen die Umstellung auf S4 Hana daher durchaus auch als Chance, alte, liebgewonnene Zöpfe abzuschneiden und neue, möglichst einheitliche Prozesse zu implementieren."
"Sie schaffen das nur, wenn Sie die Menschen mitnehmen und sie einbinden. Und das meine ich ernst. Wir sind bei der Erhebung der Ist-Prozesse zum Beispiel folgendermaßen vorgegangen: Wir haben die Ist-Prozesse in jedem unserer Häuser einzeln erhoben. Dabei waren aber immer Vertreter eines anderen Hauses mit dabei. Das Ziel: Die Kolleginnen und Kollegen sollten ein Gefühl dafür bekommen, wie unterschiedlich die Prozesse wirklich sind und ob man die einzelnen Sonderlösungen wirklich benötigt. Das hat hervorragend geklappt."
"Klare Antwort: Ja – unbedingt. Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel. Wir haben die digitale Spracherkennung im Pflegebereich in einem Pilotprojekt in Graz eingeführt. Die Idee: Der Pfleger oder die Pflegerin spricht direkt bei der Arbeit mit dem Patienten in eine mobile App und erfasst so die Pflegemaßnahmen. Wir haben dann aber bei der Einführung festgestellt, dass viele Kolleginnen und Kollegen eine Hemmung davor haben, vor dem Patienten in ein Gerät zu sprechen."
"Wir sind in Feedback-Gesprächen gemeinsam auf die Idee gekommen, dass die Kollegen nicht mit dem Gerät sprechen, sondern mit den Patienten. Sie erklären ihnen, was sie machen und erfassen so die wichtigen Informationen. Das hat super funktioniert. Mittlerweile rollen wir die Spracherkennung im gesamten Haus in Graz aus."
"Keinen Rat, aber eine Erkenntnis: Die Digitalisierung muss immer aus der Sicht der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesehen werden, die damit arbeiten sollen. Es geht nicht darum, was wir uns als IT-Experten technisch vorstellen können, sondern darum, was die Fachbereiche benötigen, damit ihr Arbeitsalltag einfacher wird. "