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Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen in der industrialisierten Welt - auch in Österreich. Grazer Wissenschaftler arbeiten an Computermodellen des menschlichen Herzens. Mithilfe des digitalen Zwillings des individuellen Herzens sollen Vorgänge im gesamten Herzen nachgebildet, verschiedene therapeutische Szenarien erprobt und schließlich die optimale Therapie gefunden werden.
Bei rund 30 Prozent der Herz-Patientinnen und -Patienten, denen ein Herzschrittmacher zur mechanischen Resynchronisation des Herzschlags eingepflanzt wurde, ist die Schrittmachertherapie nicht erfolgreich. Wenn Ärzte ein digitales Modell des kranken Herzens hätten, könnten sie am Computermodell erkennen, welche Therapie tatsächlich notwendig und sinnvoll wäre. Das ist das Ziel einer Gruppe von Forschern an der Medizinischen Universität und der Technischen Universität Graz. Der Traum vom "virtuellen Zwilling" des menschlichen Herzens ist nicht neu. Auch der Grazer Biophysiker Gernot Plank vom Institut für Biophysik der Med-Uni Graz begann schon vor mehr als 20 Jahren mit Forschungen auf diesem Gebiet.
In sogenannten "in-silico-Modellen" wird versucht, die menschliche "Pumpe" mit ihrer komplexen dreidimensionalen Geometrie und den darin ablaufenden mechanischen, physikalischen und elektrochemischen Prozessen bis in das kleinste Detail am Computer zu modellieren und dessen Funktion zu simulieren. Solche Modelle würden das Testen verschiedener therapeutischer Optionen "in silico" zunächst ohne Risiko für den Patienten ermöglichen, um schließlich die optimale therapeutische Strategie zu bestimmen und möglicherweise auch Ergebnisse vorherzusagen, wie Plank schilderte.
Schon die Erstellung eines allgemeingültigen, generischen Modells vom Herzen ist aufwendig und fußt auf großem Rechenaufwand: Der Prozess eines Herzschlags wird dabei in tausende kleinste zeitliche Einheiten zerlegt, für die jeweils der Zustand kleinster räumlicher Einheiten des Organs berechnet wird.
"Um so einen Herzschlag im Computer zu simulieren, muss man Millionen von Variablen berechnen. Das erfordert komplexe mathematische Verfahren, spezielle Algorithmen und spezielle Hardware, die Milliarden von Rechenaktionen pro Sekunde, ausführen können", erläutert Thomas Pock, Informatiker am Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz.
Das Modell des virtuellen Herzens muss äußerst komplex sein, damit es tatsächlich an die individuellen Symptome der jeweiligen Patienten angepasst werden kann. Um zu einem patientenspezifischen Modell zu kommen, sind wiederum ausgefeilte mathematische Techniken notwendig. Die Forschenden ziehen dazu die diagnostischen Daten aus bildgebenden MR-, EKG- und anderen Herzuntersuchungen der zu behandelten Person hinzu. Solche Techniken wurden im Rahmen des Projektes "ILearnHeart" von den Forschern der TU Graz und Med-Uni Graz entwickelt.
Die entwickelte Methode sei bereits einsatzbereit, hieß es dazu in einer Mitteilung der TU Graz. Sie sei so ausgereift und automatisiert, dass am Klinikum in Graz anatomisch korrekte digitale Zwillinge von Patientenherzen schon routinemäßig in einem klinischen Umfeld hergestellt werden können. "Das anatomische Modell haben wir innerhalb von drei bis vier Stunden, dann muss aber die Simulation auch noch mit der physiologischen Realität des Patienten übereinstimmen", erklärte Plank die Herausforderung für die Grazer Forscher.
Nun wollen sie die Technologie noch weiter verbessern und streben eine vollautomatische Anpassung aller funktionellen Aspekte des Herzschlags an. So möchte man sich künftig etwa auf die Wellenausbreitung im Herzen, die durch die Ausrichtung der Herzmuskelfasern gesteuert wird, konzentrieren. Geschehen soll das in einem neuen Projekt in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für computerassistierte Kardiologie, Cardiocentro Ticinio in Lugano. Dabei will das Konsortium versuchen, "Steuerelemente" mithilfe von Machine-Learning-Techniken derart ins Modell einfließen zu lassen, dass der simulierte Herzschlag möglichst nahe an den echten Herzschlag des jeweiligen Patienten herankommt.
Noch für dieses Jahr seien erste klinische Validierungsstudien an der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Med-Uni Graz in Vorbereitung. Plank und Pock gehen davon aus, dass klinisch einsetzbare Prototypen eines vollautomatischen digitalen Zwillingsherzens im Jahr 2022 getestet werden können. Die Simulationstechnologie, auf der die Methode aufbaut, wird bereits vom Grazer Start-up NumeriCor vertrieben und werde mittlerweile auch von Medizintechnik-Unternehmen im Bereich der Weiterentwicklung ihrer Devices eingesetzt.
Die beteiligten Forscher sind Teil des interuniversitären Forschungsverbundes BioTechMed-Graz. Das ist eine gemeinsame Initiative von Medizinischer Universität Graz, Technischer Universität Graz und Universität Graz im Bereich der Biowissenschaften.