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Die Physiotherapie nutzt die Technologie von Augmented Reality, um Patienten bei ihren Übungen spielerisch zu unterstützen. Datenbrillen werden zum Symbol moderner Heilmittel.
Übungen in den eigenen vier Wände stellen in der Physiotherapie einen wesentlichen Beitrag für den Heilerfolg dar. Allerdings fehlt bei den Heimprogrammen neben dem Feedback des Therapeuten nicht selten die Motivation des Betroffenen: Programme werden schlampig umgesetzt. Um die Compliance zu verbessern, werden zahlreiche Wege beschritten: Bereits 2010 entstand in Graz „Game Based Physiotherapie“ für Kinder mit der Diagnose „Juvenile idiopathische Skoliose“. Diese Spiele heißen „Exergames“, ein Schachtelbegriff aus den englischen Begriffen „Exercise“ und „Game“. Exergames sollen mit ausgefeilter Technologie die Freude der jugendlichen Zielgruppe an den Heilprogrammen deutlich heben.
Ein verkabelter Handschuh führt zu einer kleinen Box, Gametrack genannt, die mit dem PC verbunden ist. Das Spiel am PC verfügt über drei Spiellevel. Im ersten und einfachsten geht es darum, mit der Hand eine virtuellen Biene mehrere am Bildschirm aufleuchtende Blumen anfliegen zu lassen. Steht die übende Person nicht mehr gerade, stoppt das Spiel. Im Datensatz finden sich Datum, Zeit, Spieldauer sowie Bewegungsdaten im Raum. In regelmäßigen Abständen werden Verlauf und Ergebnis mit der Physiotherapeutin ausgewertet und besprochen. Dazu eine Studienteilnehmerin: „Mit dem Gametrack war es lustiger und reizvoller. Wenn man jeden Tag übt, merkt man nicht, ob man besser wird – dafür ist die Überraschung umso größer, wenn man die Ergebnisse erfährt.“
Beate Salchinger von der FH JOANNEUM Graz ist Physiotherapeutin und Institutsleiterin. Sie erinnert sich an die Anfänge: „Für uns Physiotherapeutinnen und -therapeuten bestand mit den neuen Spielen zum ersten Mal die Möglichkeit, Informationen über den Verlauf des selbständigen Übens zu erfahren und einzugreifen, wenn dies erforderlich ist.“ Zudem: Mit diesem Computerspiel wurde erstmals in einer Studie nachgewiesen, dass die durchgeführten Übungen am PC medizinisch wirksam sind.
Ebenfalls aus Graz stammt das Projekt „TRIMOTEP“, das für den Einsatz nach Implantation einer Hüftgelenksprothese entwickelt wird. Dabei handelt es sich um eine Datenbrille (Head Mounted Display), die eine virtuelle Realität direkt vor den Augen entstehen lässt und mit verschiedenen Sensoren zur Bewegungserfassung kombiniert wird.
Andreas Jocham ist Physiotherapeut am FH JOANNEUM Graz: „Wir haben herausgefunden, dass Patientinnen und Patienten häufig angeben, dass Sie während des Übens auch die reale Umgebung des Raumes sehen möchten. Daher haben wir uns für eine Umsetzung mittels Augmente Reality entschieden.“
Zu sehen ist ein Bauernhof-Szenario, in dem man Tieren und Gegenständen ausweichen muss. „Kniebeugen, Seitenschritt oder Stufensteigen können gezielt geübt werden, um Kraft, Koordination und Gleichgewicht zu trainieren. Immobilität, aber auch Überbelastung und Stürze können vermieden werden.“
Der Übungsfortschritt kann von den zuständigen Therapeutinnen und Therapeuten in einer eigens dafür entwickelten Software mitverfolgt werden. Jocham ist sich sicher, dass Gamification immer mehr an Bedeutung gewinnen wird: „Exergames kombinieren die konventionelle Therapie in physischer Präsenz und digitale Maßnahmen über räumliche Distanz.“ Die Physiotherapie, aber auch Logopädie und Ergotherapie seien logische Einsatzgebiete. „Diese Bereiche werden massiv von den digitalen Heimbehandlungen profitieren“, so Jocham.
Quelle: ÖKZ, 64. JG, 101-02/2023, Springer-Verlag.