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Frau Messner, Sie beschreiben in Ihrem Roman „Schmerzambulanz“ am Fall einer 78-jährigen Patientin das Ringen einer Spitalsbelegschaft um Aufrichtigkeit und Würde im Klinikalltag. Ihre Protagonistin verlangt ein Ethikkonsil, das dann auch abgehalten wird. Am Schluss rächt sich das System durch Kündigungen und Abteilungsschließungen. Wie viel Erlebtes steckt in Ihrem Roman?
Elena Messner: (lacht) Die Figuren sind Fiktion. Aber das Buch beruht auf intensiven Recherchen bei Ärzten und Ärztinnen sowie Pflegenden. Die Handlung ist so gebaut, dass sie realistisch ist. Meine Rückmeldungen besagen, dass die Handlung nicht nur sachlich ist, sondern den Ablauf in einer Klinik sehr wahrheitsgetreu beschreibt. Der Klinikalltag ist so.
Es wird immer darüber gesprochen, was es heißt, Patientin zu sein. Aber es finden sich wenig ernstzunehmende Darstellungen, was es bedeutet, auf der arbeitenden Seite des Kliniksystems zu stehen. Es sollte kein Patientenroman werden. Meine Neugier lag darin: Was versteckt sich hinter den Eindrücken, die wir alle in diesem System sammeln? Wie geht es den Ärztinnen, dem Pflegepersonal unter den aktuellen Gegebenheiten? Denn man merkt, dass da etwas nicht stimmt.
Ich möchte zeigen, dass das Problem nicht bei den Menschen liegt, sondern dass Abteilungen und Systeme schon so lange überfordert werden, bis sie nicht mehr funktionieren. Meine Figur der Ärztin verlangt ein Ethikkonsil, weil sie ehrlich wissen will, wie man den Fall der Pensionistin besser hätte behandeln können. Sie will lernen und die Abteilung verbessern. Und das System reagiert, indem es Menschen bestraft und versetzt. Es gibt keine Fehlerkultur. Dazu ist keine Zeit.
Ich habe irgendwo gelesen, dass es nur beim Militär hierarchischer zugeht als in einem Spital. Ich verstehe dies teilweise, weil das System rasche Entscheidungen braucht. Aber die Abläufe in einer Klinik sind so starr geworden, dass die Hierarchien auch in Bereichen eingefordert werden, die nichts mit den beruflichen Umständen zu tun haben. Das sieht man bei Besprechungen, Anreden, Essenseinladungen und vielen anderen Lebensumständen. Als Außenstehender ist man erstaunt, wie salbungsvoll mit dem Herrn Primar umgegangen wird. Da ist in vielen Häusern noch viel aufzuarbeiten.
Wahrscheinlich. Es sind ja die Pflegerinnen, die die meiste Zeit am Patienten verbringen, nicht das medizinische Personal. Meine Figur ist sehr stolz auf ihren Beruf und sie kämpft um die Sichtbarkeit ihrer Leistungen. Aber sie hat nach 30 Jahren Berufserfahrung trotzdem immer noch Angst um ihren Job, weil sie sich immer noch nicht als wichtig und unverzichtbar empfindet. Sie akzeptiert, was ihr von der Hierarchie zugewiesen wird.
Tatsächlich besagen Statistiken, dass es dieses Ärztinnen-Pfleger-Verhältnis kaum gibt. Ich habe Studien gefunden, die zeigen, dass Frauen seltener in Schichten einheiraten, die unter ihrem zugewiesenen Status angesiedelt sind. Bei Männern ist dies meist kein Ding. Das wollte ich thematisieren.
Quelle: ÖKZ, 64. JG, 5/2022, Springer-Verlag.