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In Deutschland wird Europas erster Regelflugbetrieb für den täglichen Drohnen-Transport aufgenommen. In Österreich sind erste Testprojekte zwischen Kliniken geplant.
Die Aussicht ist nahe am Kitsch: Im Tal bahnt sich der Rhein gemächlich seinen Weg durch eine malerische Landschaft. Am Horizont breitet sich der Schwarzwald als grünes Meer von Bäumen aus. Doch für die Schönheit der Breisgauer Landschaft im Südwesten Deutschlands haben Pilot und Techniker keine Augen: Die Mitarbeiter von German Copters DLS stehen unter Hockdruck. Denn sie fliegen seit August Linie mit medizinischen Gütern – und zwar mit Drohnen. In der Fachsprache heißt es: Sie haben den Regelflugbetrieb in der Medizinlogistik aufgenommen. Damit sind die Techniker von German Copters europaweit die Ersten mit dieser Befugnis.
Statt wie bisher mit dem Auto werden zweimal täglich Blut- und Gewebeproben per Luftpost von Breisach auf die rund 30 Kilometer lange Flugreise nach Müllheim geschickt. Dort befindet sich jeweils ein Standort des deutschen Klinikbetreibers Helios. VTOL-Flächendrohnen von German Copters – Spannweite: 3 Meter – übernehmen die Aufgabe. Das Logistikunternehmen ist es auch, das die Flugstrecke betreiben wird. Seit zwei Jahren arbeitet German Copters mit Helios und dem regionalen Gesundheitsverbund RKH Gesundheit an dem Projekt. „Wir sind die Ersten in Europa, die Drohnen in der Medizinlogistik im Regelbetrieb einsetzen können“, meint Enrico Jensch, Chief Operating Officer (COO) von Helios. „Mit dem Einsatz von Drohnen werden wir die Medizinlogistik auf ein neues Level bringen“, sagt Holger Schulze, Chief Executive Officer (CEO) von German Copters DLS.
Das Konsortium will sich nicht mit der einen Flugstrecke im Schwarzwald begnügen. Helios – eine Tochter des deutschen Gesundheitskonzerns Fresenius und damit eine Konzernschwester der österreichischen VAMED – betreibt insgesamt 87 Kliniken in Deutschland. Diese will man nun per Luftpost flächendeckend miteinander vernetzen: Bis Ende des Jahres sollen die nächsten zwei Strecken eröffnet werden. Bis 2025 sind rund 70 Strecken geplant.
Für den Einsatz von Drohnen in der Medizinlogistik spricht eine Reihe von guten Gründen. Kurz gesagt: Der fliegende Botendienst ist schneller, zuverlässiger und umweltfreundlicher als das Auto. Für die 32 Kilometer lange Flugstrecke zwischen Breisach und Müllheim benötigt die Drohne rund 25 Minuten. Damit ist sie im Normalfall um ein Drittel flotter unterwegs als das Auto – und dies bei hoher Verlässlichkeit. Denn mit Staus oder zähflüssigem Verkehr ist auf der Drohnenflugstrecke auf absehbare Zeit nicht zu rechnen.
Zudem sind Drohnen umweltfreundlicher als Autos. Dies gilt zumindest für kleine Drohnen mit geringem Gewicht, wie sie von German Copters DLS für den Transport der Laborproben eingesetzt werden. Sie haben eine Zuladung von drei Kilogramm und ein zulässiges Gesamtgewicht von 15 Kilogramm. Beim Transport von schweren Paketen schaut die Ökobilanz der unbemannten Fluggeräte nach Meinung von Experten nicht mehr so gut aus. Und auch German Copters DLS-Chef Schulze schränkt ein. „Wir sind auf unseren Strecken sicher sauberer als der Straßenverkehr. Aber von der grünen Logistik sind wir noch weit entfernt“, so Schulze. „Dazu braucht es die Entwicklung von neuen umweltfreundlichen Technologien wie den Wasserstoffantrieb.“
Die Vorteile der bestehenden Drohnentechnologie sind aus Sicht von Klinikbetreiber Helios bereits ausreichend für den Regelbetrieb. Dank der raschen und zuverlässigen Verbindung durch die Luftpost kann das Unternehmen das Zusammenspiel seiner Laborstandorte verbessern. Dazu Helios COO Jensch: „Der Transport in der Luft macht uns unabhängiger vom Landverkehr und eröffnet völlig neue Perspektiven in Bezug auf Laborstandorte und deren Auslastung.“
Bevor es soweit ist, liegt aber noch einige Arbeit vor allen Beteiligten. Denn der Verkehr in der Luft ist streng reglementiert. Das ist in Deutschland genauso wie in Österreich. Es gelten die Vorgaben der EU. German Copters DLS muss daher für jede einzelne Strecke, die sie in Betrieb nehmen will, die Genehmigung der zuständigen Luftfahrtbehörde einholen. Dabei muss sie unter anderem eine detaillierte Risikoanalyse für die jeweilige Flugroute für die Luft, aber auch für den Boden vorlegen. Im Fall der Jungfernstrecke von Breisach nach Müllheim hat das dazu geführt, „dass wir die geplante Streckenführung anpassen mussten. Wir fliegen nicht die kürzeste Linie von A nach B, sondern einen Zick-Zack-Kurs“, so German Copters DLS-Mann Schulze. „Dadurch verlängert sich die Strecke um drei bis vier Kilometer.“ Man weiche einem Flugplatz und einem Naturschutzgebiet aus. Zudem halte sich die Drohne von Ortschaften fern. Schulze: „Wir fliegen dort, wo die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen aufhalten, am geringsten ist.“
Zu den umfangreichen Sicherheitsauflagen, die der Drohnenbetreiber erfüllen muss, gehört auch das Festlegen von Kommunikationsverfahren mit den betroffenen Behörden entlang der Strecke – von der Polizei über die Feuerwehr bis zum Ortsvorsteher. „Für den Fall, dass etwas passiert und wir einen Zwischenfall haben, muss ganz klar geregelt sein: Wer kommuniziert wann was mit wem“, meint Schulze. Ein weiterer Punkt betrifft die Verpackung. Denn die Laborproben an Bord der Drohne gelten als Gefahrengut. Schulze und sein Team haben daher in Zusammenarbeit mit einem darauf spezialisierten Unternehmen eine eigene Dreifach-Verpackung für den Transport in der Drohne entwickelt. Diese ist so konzipiert, dass sie selbst einen Aufprall aus Flughöhe übersteht. Die Details für diese Verpackung will das Unternehmen öffentlich zur Verfügung stellen. Schulze: „Davon sollen alle Betreiber profitieren. Es geht uns darum, das Drohnenfliegen generell so sicher wie möglich zu machen.“
Bei einem der zukünftigen Profiteure könnte es sich um ein Konsortium aus Österreich handeln: Die Flugrettung des ÖAMTC arbeitet gemeinsam mit einer Gruppe von Partnern – darunter der niederösterreichische Drohnenhersteller APELEON und die NÖ Landesgesundheitsagentur – an der Umsetzung eines sogenannten „Medical Drone Services“ für Niederösterreich. Die Idee ist, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen „rasch und kostengünstig mit Prioritätsfracht zu versorgen. Dazu zählen Blutkonserven, seltene Medikamente, Ausrüstung oder Laborproben“, so Benjamin Hetzendorfer, Drohnenexperte des ÖAMTC und Leiter des Projekts.
Dabei will das Konsortium eine eigens von APELEON entwickelte Drohne einsetzen, die bis zu zehn Kilogramm Ladung aufnehmen kann. Der erste Testflug ist für den Herbst geplant. Der Start des regulären Flugbetriebes könnte nach Einschätzung von Projektleiter Hetzendorfer ab Ende 2024 möglich sein. Bis dahin haben aber auch die Niederösterreicher noch viel zu tun. Denn für sie gelten die gleichen Sicherheitsvorgaben wie für ihre Kolleginnen und Kollegen in Deutschland: Für derartige Vorhaben ist eine Genehmigung der heimischen Luftfahrtbehörde Austro Control notwendig.
Hetzendorfer ist zuversichtlich, die Sicherheitsanforderungen erfüllen zu können. Er glaubt, dass „das Potenzial für zeitkritische Transporte mit Drohnen riesig ist. "Aus technischer Sicht", so der ÖAMTC-Experte, „wäre es heute schon möglich, medizinische Güter 50 bis 100 Kilometer weit zu transportieren“.
Quelle: ÖKZ 08-09/2023, 64. Jahrgang, Springer-Verlag.