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Spitäler und Reha-Zentren verzetteln sich in zahllosen Klimaschutz-Projekten. Jetzt hat der Bund für Gesundheitseinrichtungen eine spezielle Klimastrategie entwickelt. Beratungen, Ausbildung und hunderte Millionen an Förderungen sollen der Klimawende einen Schub verleihen.
Die Anweisung kommt von ganz oben. In der Umwelt-Enzyklika „Laudato si`“ fordert Papst Franziskus die Menschheit auf, „die „Schöpfung zu bewahren“. Denn die Erde scheine sich zu einer „unermesslichen Mülldeponie“ zu entwickeln. Bei diesen Vorgaben gibt es in den Ordensspitälern der Barmherzigen Brüder kein Zögern.
Es werde „intensiv“ gearbeitet, dass der Wille des obersten Hirten auch geschehe, wie Daniel Kreuzer versichert. Er ist – unter anderem – Umweltmanager für insgesamt sieben österreichische Spitäler des Ordens, drei Alten- und Pflegeheime – und ein Kurhotel in Schärding (zur Österreichischen Ordensprovinz gehören weitere Standorte in Ungarn, Tschechien und in der Slowakei). Die Enzyklika sorgt seither in den geistigen und weltlichen Ordensinstanzen für nachhaltigen Rückenwind in Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsfragen.
Der Segen der Vorgesetzten sei „elementar“, wie Umweltmanager Kreuzer beteuert. „Dekarbonisierungs- und Umweltschutzprojekte sind sinnlos, wenn es keine Unterstützung aus der Führungsebene gibt.“ Klimaschutz ist Chefinnen-Sache.
Das Netz ist in den sieben Ordensspitälern dicht gesponnen: An jedem Standort drängen ganze Umweltteams auf verbesserte Umweltleistungen. Bei allen Tätigkeiten werden die direkten und indirekten Emissionskategorien für Luft, Lärm, Wasserverbrauch, Verkehr oder Einkauf erhoben und nach dem Umweltmanagementsystem EMAS bewertet.
Daniel Kreuzer erzählt gerne, dass in vielen Kategorien die Maßnahmen nicht nur den CO2-Footprint verringern, sondern „auch wirtschaftlichen Ertrag abwerfen“. Allein ein verbessertes Abfallwirtschaftssystem habe durch reduziertes Aufkommen, verbesserte Trennung und neue Verträge mit den Entsorgern „zwischen 40.000 und 50.000 Euro gespart“. Die Gesamtbilanz der Barmherzigen Brüder seit 2017: Der CO2-Ausstoß wurde halbiert.
„Die machen einen guten Klimajob“, lobt Ruperta Lichtenecker die Ordensbrüder. Die frühere grüne Nationalratsabgeordnete leitet heute in der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) das Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit. Sie ist Hauptautorin des 284 Seiten starken Strategiepapiers „Klimaneutrales Gesundheitswesen“, das Anfang Juli von Umweltministerin Leonore Gewessler und Gesundheitsminister Johannes Rauch in den Räumen von – richtig – den Barmherzigen Brüdern präsentiert wurde. Neben vielen Gemeinplätzen verweist das Papier auf neue Förderschienen, die Gesundheitseinrichtungen unterstützen sollen, sich klimafit zu machen. Für die Umsetzung stellt das Klimaschutzministerium bis 2030 insgesamt 400 Millionen Euro bereit, davon 200 Millionen für Spitäler. Krankenhäuser, Rehabilitationszentren sowie Senioren- und Pflegeheime erhalten bis zu 50 Prozent der Investitionen, wenn sie von fossilen auf erneuerbare Energieträger umstellen oder die Gebäude thermisch sanieren. Die Zielvorgaben sind ambitioniert. Ruperta Lichtenecker: „Wenn Österreich bis 2040 klimaneutral werden will, sind Veränderungen in den klimarelevanten Handlungsfeldern und in allen Gesundheitseinrichtungen erforderlich.“
Der Gesundheitssektor trägt mit rund sieben Prozent zum CO2-Fußabdruck in Österreich bei. Damit sind Spitäler, Pflegeeinrichtungen und Ordinationen aus Umweltsicht der viertwichtigste Konsumbereich (nach Ernährung, Mobilität und Wohnen). Mit einem Anteil von 83 Prozent sind Krankenhäuser für den größten Teil des Energieverbrauchs und CO2-Emissionen der Gesundheitseinrichtungen verantwortlich. Erst langsam beginnen die Kliniken und Rehazentren, sich für umfassende Umweltbewertungen zu interessieren. Der Schweizer Matthias Stucki glaubt, den Grund zu kennen: „Im Gegensatz zu den Supermärkten gibt es in der Gesundheit keinen Druck von der ‚Kundschaft‘ in Sachen Nachhaltigkeit. Für den Patienten steht die optimale medizinische Versorgung im Vordergrund“, so Stucki in der Schweizerischen Ärztezeitung. Mathias Stucki leitete das aufsehenerregende Studienprojekt „Green Hospital“, das vier Jahre lang die Ökobilanz von 33 Schweizer Akutspitälern untersuchte. 2021 wurden die Ergebnisse präsentiert. Neben den Verbrauchsgrößen machte sich der Umweltwissenschaftler auf die Suche nach jenen Bereichen, in denen Ressourcen verschwendet werden. In Summe sind die Ineffizienzen der Häuser enorm: Die Schweizer Berechnungen haben gezeigt, dass die Hälfte der Kliniken ihre Emissionen um rund 50 Prozent vermindern könnten, ohne dass ihre Leistungen weniger würden. Das größte Potential liegt dabei – wenig überraschend – in der Wärmeversorgung. Spitäler, die ihre Energie mit Fernwärme oder erneuerbarer Energie bereitstellen, schneiden in der Ökobilanz deutlich besser ab als jene, die sich immer noch den fossilen Energieträgern anvertrauen.
Der Veränderungsdruck in Sachen Nachhaltigkeit kommt auf die Spitäler von allen Seiten. Karlheinz Christian Korbel ist Facharzt der Psychiatrie und Ärztlicher Direktor des LKH Mauer: „Es gibt kein Einstellungsgespräch mit jungen Kollegen und Kolleginnen, wo unsere Aktivitäten im Bereich des Klimaschutzes nicht nachgefragt würden.“ Ökologisches Bewusstsein sei heute ein natürlicher Teil von Employer Branding. Zudem werden von einem Klinikmanager jeden Tag Entscheidungen abverlangt, die direkt oder indirekt mit der Klimaerwärmung zu tun haben: „Es braucht Pläne zur Beschattung des Spitalparks. Welche Bäume sind geeignet? Und wie heize und kühle ich eine über hundert Jahre alte Gebäudesubstanz nach modernen Nachhaltigkeitsaspekten?“ Die Herausforderungen würden zusehends „nach einer festen Wissensbasis“ verlangen, so Korbel. Dies sei mit ein Grund, warum er derzeit einen viermonatigen Lehrgang zum Klimamanager absolviere. Korbel ist damit der erste Primar Österreichs, der sich auf die Weiterbildung einlässt: „In naher Zukunft werden jeder Klinikmanager und jede Klinikmanagerin eine derartige Weiterbildung durchlaufen“, ist Korbel überzeugt. Klimamanagement werde fixes Werkzeug jeder stationären oder ambulanten Geschäftsführung.
Narkosegase sind Klimakiller. Desfluran, Isofluran und Lachgas, aber auch die etwas weniger schädlichen Sevofluran und Isofluran sind verheerende CO2-Schleudern. In einer siebenstündigen Operation wird ein CO2-Äquivalent freigesetzt, das einer Autofahrt von Wien nach London entspricht. Mit dem Desfluran-Äquivalent käme man sogar 8000 Kilometer weit. Die klimatechnischen Effekte der Narkosegase – sie werden abgesaugt und ins Freie entsorgt – sind angesichts der Mini-Mengen entsetzlich: Narkosegase sind für bis zu 35 Prozent der Emissionen an einem Krankenhaus verantwortlich.
Markus Kalchbrenner ist Technik-Direktor der Gesundheit Burgenland. Als einer der ersten Absolventen des GÖG-Lehrganges „Klimaschutz-Management in Gesundheitseinrichtungen“ treibt er das Thema des Narkosegas-Recyclings in allen Standorten seines Verbundes an: „Wir sind im Rollout.“ Sämtliche eingebundenen Mediziner und Medizinerinnen würden die Maßnahmen begrüßen: Denn mittlerweile hat sich die Umweltschädlichkeit der Narkosegase herumgesprochen. „Viele fragen, warum das so lange gedauert habe.“ Der Einsatz von Narkosegas-Filtern ist einfach: Zusammen mit einer separaten Füllstandsanzeige kosten Filtergeräte knapp 400 Euro. Das LKH Villach war das erste heimische Krankenhaus, das bereits vor Jahren mit dem Sammeln von Narkosegasen begonnen hat. Zur Orientierung: Allein im LKH Villach werden pro Jahr ca. 400 Flaschen à 250 ml des Narkosemittels Sevofluran bei Operationen benötigt. Mittlerweile werden die an Aktivkohlefiltern gesammelten Gase auch recycelt: Erst im Juni wurde weltweit die erste 250 ml-Flasche wiederaufbereitetes Narkosegas an Ernst Trampitsch, Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin im LKH Villach übergeben.
Die Klimaschutzprojekte rund um das Narkosegas sind beispielhaft für die speziellen Emissionen von Spitälern. Die weitaus überwiegende Mehrheit der ungezählten österreichischen Nachhaltigkeitsprojekte haben deutlich banaleren Charakter. Dies beginnt in der Grünraumgestaltung des Orthopädischen Spitals Speising, wo im Klinikgarten Blühflächen für Insekten angelegt, Insektenhotels angebracht und auch Bienenstöcke aufgestellt wurden. Es berührt den simplen wie einleuchtenden Veggi-Switch des UKH Klagenfurt, wo vegetarische Menüs in den Speiseplänen einfach an erster Stelle gereiht werden. Der Anteil von fleischlosen Menüs stieg daraufhin unter den Mitarbeitern von 36 auf 45 Prozent. Der CO2-Fußabdruck der Klinik verringerte sich durch diese Mini-Maßnahme immerhin um 2,14 Tonnen CO2.
Am anderen Ende der Größenskala steht beispielhaft die Errichtung von drei Krankenhausgebäuden im LKH Graz II in Holzbauweise, wodurch rund 5.880 Tonnen CO2 gegenüber einer konventionellen Bauweise eingespart werden konnten. In der langen Liste der Nachhaltigkeitsmaßnahmen finden sich zahlreiche weitere Projekte, mit denen Kliniken den Einsatz fossiler Brennstoffe gegen Null fahren. Der Preisschock des Ukrainekriegs hatte zuletzt für zusätzlichen Antrieb gesorgt.
Ruperta Lichtenecker: „Wir finden im Gesundheitswesen viel Enthusiasmus und Engagement, aber bislang gab es keine gemeinsamen Zielvorgaben.“ Das Strategiepapier für ein klimaneutrales Gesundheitswesen soll eine gemeinsame Zieldefinition, Ansatzpunkte und Handlungsempfehlungen liefern. Die vielen Puzzleteile sollen endlich ein Gesamtbild ergeben.
Eine der grundlegenden Säulen der Klimawende-Strategie für Gesundheitseinrichtungen ist das Beratungsprogramm, das bereits vor zwei Jahren etabliert wurde. 80 Spitäler und 30 Reha-Kliniken nutzten bisher das Angebot der GÖG. Mit dem Beratungsprogramm soll „die Blackbox der Spitäler“ beseitigt werden, wie es der Schweizer Wissenschaftler Mathias Stucki in seiner Studie nennt: Denn die Kliniken und Rehazentren wissen nicht, welche Emissionslast sie in den diversen Unternehmensbereichen aufweisen.
Teilnehmende Spitäler erhielten im Zuge des Programmes nach Gesprächen, Vor-Ort-Begehungen und Datenanalysen von den Beratungsteams einen individuellen Klima-Aktionsplan, der auf die Problembereiche hinweist und dazu die notwendigen Daten liefert. In der zweiten Phase werden die definierten Maßnahmen durch die Gesundheitseinrichtungen umgesetzt. In einer dritten Phase wird nach etwa zwölf Monaten die Umsetzung des Klima-Aktionsplans evaluiert. Wichtig dabei: Sämtliche Maßnahmenempfehlungen werden mit entsprechenden Fördermöglichkeiten unterlegt.
Viele Häuser der Barmherzigen Brüder haben das Beratungsprogramm der GÖG genutzt: Für Daniel Kreuzer brachten die Emissionsanalysen „das Ende des Blindfluges: Endlich gab es Daten und Ziele.“ Auch Markus Kalchbrenner von Gesundheit Burgenland ließ seine Häuser von den beauftragten Klimaberatern durchleuchten: „Wir bekamen exzellente Analysen und Vorschläge, ohne dass unser Alltagsgeschäft beeinträchtigt worden wäre.“ Es sind dann auch die Mitarbeiter der Kliniken, die an den Beratungsprojekten teilgenommen haben, die zum Ausbildungsprogramm für Klimamanager und Klimamanagerinnen eingeladen wurden. Markus Kalchbrenner zählte zu den ersten Absolventen des Jahrganges 2023: „Die vermittelten Lösungsansätze haben was gebracht. Die ersten Ideen sind bei uns bereits in der Umsetzungsplanung.“ Das Projekt zum Narkosegasrecycling bei Gesundheit Burgenland hatte so seinen Anfang genommen.