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Patienten­akte im Spital: Papier versus Digi­tali­sie­rung

31. Oktober 2024 | APAMED (APA-OTS)
Krankenhaus: Patientenaufnahme.
Krankenhaus: Patientenaufnahme.

Laut einer wissenschaftlichen Studie an der Universitätsklinik in Graz dürfte beim Umstieg von Papier-Patientenakten auf digitale Tools noch viel zu verbessern sein. Ein solches EDV-System wurde von allen Berufsgruppen an der Abteilung für Plastische Chirurgie bezüglich Benutzerfreundlichkeit als "nicht akzeptabel" bewertet.

Der Hintergrund: Die Digitalisierung wird von Gesundheitspolitik und Verwaltung derzeit als "das" Werkzeug dargestellt, um die Qualität der Patientenversorgung durch einen leichteren Informationszugang sowie transparentere Diagnose- und Therapieentscheidungen zu ermöglichen und Schnittstellenprobleme zwischen Berufsgruppen (Ärzteschaft, Pflegepersonal) und Versorgungsstrukturen (Spitalsabteilungen, Ambulanzen, niedergelassene Ärzte etc.) zu beseitigen. Verwaltung und Zahler (Spitalserhalter, Krankenkassen) wollen dadurch aber auch aktuellere und genauere Informationen erhalten, die Gesundheitspolitik wünscht bessere Daten für die Planung. "Elektronische Patientenakte statt Papier- und Bleistiftmethoden", heißt somit die Devise, welche für die Softwareindustrie weltweit auch einen Milliardenmarkt darstellt.

Matthias Berger von der Forschungseinheit für digitale Chirurgie an der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie der MedUni Graz und seine Co-Autoren haben dazu jetzt eine Studie im "Journal of Clinical Medicine" (https://doi.org/10.3390/jcm13206214) veröffentlicht. Der Titel: "Papier-und-Bleistift - Vergleich zu elektronischen Patientenakten: Analyse der Auswirkungen auf Zeiteffizienz, Personalbedarf und Benutzerfreundlichkeit in der Gesundheitsverwaltung".

Die Studie untersuchte die Auswirkungen der Umstellung von Papier- und Bleistiftmethoden (P&P - für Paper/Pencil; Anm.) auf elektronische Patientenakten (EPR - für Electronic Patient Records; Anm.) auf Arbeitsabläufe und Benutzerfreundlichkeit bei chirurgischen Visiten. Dies erfolgte zunächst noch in der Zeit der Verwendung des alten Papier-Dokumentationssystems und dann nach Umstellung auf die elektronische Patientenakte. Zwei unabhängige Beobachter prüften zwischen November 2021 und Mai 2022 an der Plastischen Chirurgie in Graz vor allem, "inwieweit sich die Nutzung des EPR-Systems auf die Zeit auswirkt, die das klinische Personal während der chirurgischen Visite mit der praktischen Patientenversorgung verbringt (...)", wie die Experten in ihrer Arbeit feststellten.

Die Frage: Bringt die Digitalisierung durch Erleichterung der Abläufe mehr oder weniger Zeit von Ärzteschaft und Pflegepersonal für die Patienten bzw. erleichtert ein solches System die Arbeit?

Bei der in der Studie verwendeten Software handelte es sich um das Krankenhausinformationssystem OpenMEDOCS. Es baut auf der sogenannten ERP-Suite (Electronic Resource Planning) des Softwarekonzerns SAP auf und wurde nicht speziell für das Patientenversorgungsmanagement entwickelt, sondern entsprechend angepasst. "OpenMEDOCS integriert drei Hauptkomponenten: IS-H, verantwortlich für die Verwaltung administrativer Funktionen wie Patientenaufnahme, -verlegung und -entlassung; IS-H*Med, das die medizinische Dokumentation handhabt; und das SER-Archiv, ein digitales Archiv zum Speichern und Abrufen von Patientenakten und wurde von der KAGes (Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft) entwickelt", schrieben die Wissenschaftler.

Das Thema ist jedenfalls brandheiß in Zeiten knapper Personalressourcen im Gesundheitswesen. Die Wissenschaftler: "Elektronische Patientenakten hingegen geraten aufgrund ihrer offensichtlichen mangelnden Abstimmung mit klinischen Arbeitsabläufen zunehmend ins Visier und werden als ein wesentlicher Faktor identifiziert, der zum Burnout von Ärzten beiträgt." Im Rahmen der Studie erfolgten standardisierte Befragungen, ein Rating zur Benutzerfreundlichkeit des Systems sowie die Aufzeichnung des Zeitaufwandes: die Vorbereitungszeit vor dem Betreten des Patientenzimmers, die Dauer der Dokumentationszeit der Ärzte im Krankenzimmer, die vom Pflegepersonal eingeplante Zeit für die Dokumentation, die Zeit der direkten Interaktion der Ärzte mit den Patienten und die Zeit für den Verbandwechsel.

Die Ergebnisse zeigten jedenfalls, dass Digitalisierung allein noch kein Allheilmittel ist. 

Die Wissenschaftler: "Insgesamt wurden 192 P&P- und 160 EPR-Beobachtungen analysiert. Ärzte erlebten mit EPR einen erhöhten Verwaltungsaufwand, während sich Krankenschwestern leichter anpassten. (...) Das EPR-System brachte trotz potenzieller Vorteile wie verbesserter Datenzugriffe vor allem für Ärzte Herausforderungen in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit mit sich. Mängel in der Benutzerfreundlichkeit beeinträchtigten die Akzeptanz des Systems und machten deutlich, dass eine bessere Integration der Arbeitsabläufe erforderlich ist. Die Behebung dieser Probleme könnte die Effizienz verbessern und den Verwaltungsaufwand verringern."

Die Benutzerfreundlichkeit des Systems wurde auf dem bei der Beurteilung durch Pflegepersonal, Assistenz- und Oberärzte verwendeten "System Usability Scale" (SUS) mit möglichen 100 Punkten durchwegs als schlecht bewertet: Die Beurteilungen der Pflegekräfte machten im Durchschnitt 40,8 Punkte aus, jene der Assistenzärzte einen Durchschnittswert von 46,8 Punkten. Die Oberärzte erzielten in ihrem Rating den niedrigsten Durchschnittswert mit 24,3 Punkten. Alle diese Werte seien als "nicht akzeptabel" einzustufen, betonen die Autoren der Studie. Als akzeptabel wären Werte von zumindest mehr als 70 Punkte auf der Skala anzusehen.

Fazit, so die Experten: "Ein erhöhter Verwaltungsaufwand schien bei der Umstellung auf das EPR-System nur die Ärzte zu betreffen, während das Pflegepersonal bei der Umstellung auf das System keine Schwierigkeiten hatte. Die Usability-Werte zeigten jedoch, dass das EPR-System hinter den Erwartungen an die Benutzerakzeptanz zurückbleibt, da alle Berufsgruppen das System als 'nicht akzeptabel' einstufen. Diese Studie zeigt, dass ein neues elektronisches System zur Dateneingabe möglicherweise Vorteile bietet, aber es gibt explizite Usability-Mängel, die seine Akzeptanz verhindern." 

Auf jeden Fall müsse in Zukunft eine Integration der Abläufe im Spital bzw. auf der jeweiligen Abteilung in solche Programme erfolgen. Die Einbeziehung der (zukünftigen) Benutzer in das Design sei erforderlich.

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