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Gesundheitsminister Johannes Rauch erklärt im Interview, wie er das österreichische Gesundheitssystem fit für die Zukunft machen möchte und warum dies dringend notwendig sei.
Johannes Rauch: "Sobald man die erste Sitzung der Bundeszielsteuerungskommission geleitet hat, versteht man, wie komplex die Linien verlaufen, auch entlang der Finanzierungsgräben."
"Wir haben im ambulanten Bereich einen Trend in die Spitalsambulanzen, und wir haben eine Entwicklung zu mehr Wahlarztpraxen, weil es im Kassenbereich kein ausreichendes oder ein falsches Angebot gibt. Das Berufsbild des Arztes und der Ärztin muss gekräftigt werden, deren Arbeitsbedingungen gilt es zu verbessern und die Primärversorgung muss ausgebaut werden – und zwar parallel zum traditionellen Ordinationssystem. Wenn es nicht gelingt, den niedergelassenen Bereich zu stärken, dann kann ich Geld in den spitalsambulanten Bereich hineinschütten, so viel ich will – das wird nichts nützen."
"Wir werden in Stadt und Land unterschiedliche Entwicklungen erleben. Ich bin sicher, dass am Land neue Ordinationsformen prägend werden, und damit meine ich nicht nur eine Entwicklung hin zur Primärversorgungseinrichtung. Es wird zusätzliche Formen der kooperativen Ordinationen geben. Es kann durchaus sein, dass sich zwei Ärzte mit Kassenvertrag zusammentun und gemeinsam jemanden beschäftigen, der die administrative Arbeit macht. Diese Ordinationen werden sich auch Unterstützung im Bereich der sozialen Arbeit oder in der Pflege suchen. Dadurch werden die Vertragsordinationen ihr Leistungsspektrum erweitern, durch die Zusammenarbeit der Mediziner lastet die Verantwortung aber nicht mehr nur auf einer Schulter. Die Zukunft liegt in der Kooperation und dem multidisziplinären Zugang. Es können Ärztinnen, Ärzte nicht mehr alles allein leisten."
"Das ist meine Absicht. Digital-Staatssekretär Florian Tursky ist dabei ein Verbündeter. Um ELGA zu stärken, müssen die Patientendaten zentral verfügbar sein. Dass diese Vorgänge dem Datenschutz entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Ich als Patient muss Herr meiner Daten bleiben. Wenn ich nicht will, dass meine Daten verarbeitet werden, habe ich eine Opt-out-Option. Das muss bleiben. Aber es ist beim heutigen Stand der Technik ein Unding, wenn stapelweise Röntgenbilder und Befunde von einer Ordination in die nächste herumgetragen werden. Wie soll ich in Österreich Gesundheitspolitik machen, wenn ich nicht weiß, wer mit welcher Erkrankung im Spital liegt, mit welchen Leiden die Österreicherinnen und Österreicher zu ihrem Hausarzt kommen und wo welche Fallzahlen auftreten. Dieser Blindflug ist ein unhaltbarer Zustand."
"Das werden wir schon brauchen. Ob das eHealth-Gesetz heißt oder sonst wie, ist mir egal. Aber wir werden den Akteuren vorgeben, dass sie die Daten verfügbar machen müssen."
Heuer. Ganz sicher.
"Das Preisniveau für Medikamente bewegt sich in Österreich im europäischen Mittelfeld. Wir sind bei den Generika, dem weitaus überwiegenden Arzneien-Segment, um 20 % über dem deutschen Niveau. Das Problem liegt woanders: Wir haben bei einzelnen Wirkstoffen eine Abhängigkeit von 90 % bei zwei chinesischen Herstellern. Das vorrangige Thema wird daher lauten, europäische Standorte zu sichern oder wiederzubeleben, also Produktion wieder nach Europa zu bekommen. Das müssen wir auf EU-Ebene anpacken. Kurzfristig werden wir uns gegen temporäre Verknappungen rüsten müssen, soweit dies geht."
"Einen derartigen Mangel an wichtigen Medikamentenklassen wie heuer darf es nicht mehr geben. Wir hatten mit Covid-19, den respiratorischen Erkrankungen und mit den RSV-Problemen gleichzeitig zu kämpfen. Es ist schlicht und einfach zu wenig bestellt und produziert worden. Ich gehe davon aus: Im Herbst wird die Bevorratung bei diesen Medikamenten sichergestellt sein."
"Mir geht es da vor allem um den niedergelassenen Bereich. Daran wird gearbeitet und es gibt die Zusage, dass heuer im Herbst die Lagerhaltung eine andere sein wird. Ich will dazu aber öffentlich keine Fristen setzen."
"Ja, es hat sich was verändert. Die Ausbildungssituation hat sich verbessert. Die 1.400 Euro für Umsteiger:innen, die aus einem anderen Beruf in die Pflege wechseln, zeigen Wirkung. Der Ausbildungsbonus von 600 Euro macht den Entschluss zum Berufseinstieg offensichtlich auch einfacher. Und die ursprünglich auf zwei Jahre limitierten Gehaltserhöhungen für das Pflegepersonal werden wir fixieren. Im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen werden wir sicherstellen, dass die 570 Millionen an Lohnzuschuss erhalten bleiben."
"Nein. Wir werden ohne qualifizierte Anwerbung von Personal aus dem Ausland nicht das Auslangen finden. Und ich sage das mit Deutlichkeit. Egal wo. Wir werden auch Anpassungen bei Arbeitszugang und den Nostrifizierungen machen müssen. Sonst geht sich das im Pflegebereich hinten und vorne nicht aus. Ohne qualifizierte Anwerbung von Personal aus dem Ausland werden wir nicht auskommen."
Quelle: ÖKZ, 64. JG, 5/2022, Springer-Verlag.