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Immer mehr „e“ in Health: Die Digitali­sierung der Gesund­heits­systeme im inter­natio­nalen Ver­gleich

2. April 2024 | Heinz Brock
Symbolbild e-health.
Symbolbild e-health.

Der Digitalisierungsgrad des heimischen Gesundheitssystems beschert Österreich im internationalen Vergleich einen Platz im Mittelfeld. Ein Blick auf die Top-Nationen zeigt, wie es besser geht.

Pandemie und Demografie zeigen schonungslos die Leistungsgrenzen der Gesundheitssysteme auf. Traditionsreiche Abläufe und Strukturen entsprechen nur ungenügend den zukünftigen Dynamiken. Digitalisierung kann daher nicht mehr als smarte Innovation gesehen werden, sondern schlichtweg als dringende Notwendigkeit. Der Grad der digitalen Transformation mag derzeit noch nicht in Korrelation zur tatsächlichen Performance des Gesundheitssystems eines Landes stehen, scheint jedoch entscheidend für sein Potenzial zu sein. Krisenhafte Zustände wie bei einer Pandemie richten umso mehr Schaden an, je weniger aktuelle Daten zur systematischen Analyse und Maßnahmensteuerung zur Verfügung stehen. Knappheit an Fachpersonal mindert die Versorgungsqualität umso stärker, je weniger Administrations- und Kommunikationsprozesse auf digitale Anwendungen ausgelagert sind. Schließlich kann auch der Gold-Standard der Medizin und der Gesundheitsversorgung, die individuelle fachliche Behandlung, in vielen Fällen schon durch intelligente Technologien wenn nicht ersetzt, so doch erleichtert und unterstützt werden.

Da für eHealth als Sammelbegriff der Gesamtheit aller elektronischen Anwendungen im Gesundheitswesen keine allgemein gültige Definition existiert, stellen sich beim Versuch der Einschätzung ihres Reifegrades methodische Fragen nach validen Indikatoren. Studien und Surveys von Institutionen wie der WHO(1), der OECD(2) oder der EU(3) wenden dabei oft unterschiedliche Kriterien an, letztlich kristallisieren sich für die Messung eines Digitalisierungsstandes drei Dimensionen heraus. 

  • Erstens ist zu beurteilen, unter welchen rechtlich-regulativen, finanziellen und institutionellen Rahmenbedingungen die eHealth-Entwicklung stattfindet und welche Priorität deren Strategie und Planung durch die Politik eingeräumt wird. 
  • Zweitens spielt der Stand der technischen Implementierung eine große Rolle für die Datenintegration und -nutzung. 
  • Drittens ist schließlich entscheidend, wie Digital-Health-Technologien und Angebote von den Dienstleistern und der Bevölkerung tatsächlich genutzt werden.

 

Skandinavische Vorzüge

Die Qualität der österreichischen Gesundheitsversorgung ist international gesehen nach wie vor gut und auch für den Entwicklungsstand der eHealth-Infrastruktur muss man sich hierzulande nicht schämen. In einer Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung(4) wurden im Jahre 2018 siebzehn Länder hinsichtlich ihrer Digitalisierungsgrade im Gesundheitswesen mittels eines neu entwickelten „Digital-Health-Index“ untereinander verglichen. Österreich landete auf dem respektablen zehnten Platz, hauptsächlich aufgrund der Einführung von e-Card und ELGA. Spitzenreiter in diesem Benchmarking waren Estland(5), Kanada, Dänemark, Israel und Spanien. Als Länder mit fortschrittlicher digitaler Infrastruktur treten auch immer Finnland(6), Schweden(7) und die Niederlande(8) in Erscheinung.

Bei der Frage, was diese Länder bei der Digitalisierung ihrer Gesundheitssysteme erfolgreicher macht als andere, lohnt sich besonders ein Blick auf Dänemark, das 2022 von der Europäischen Kommission(9) als Vorreiter der digitalen Innovation hervorgehoben wurde. Seit vielen Jahren trifft die dänische Politik Maßnahmen, welche auf allen gesellschaftlichen Ebenen digitale Serviceleistungen forcieren. Im Gesundheitsbereich steht seit 2003 allen Bürgern ab fünfzehn Jahren der Zugang zu Informationen und Leistungen sowie zu den eigenen Daten über ein einheitliches Portal (sundhed.dk) zur Verfügung. Alle Gesundheitsdienstleister inklusive Krankenhäuser, Apotheken, Allgemeinmediziner, Fachärzte, Labors, Behörden und Heimpflege nutzen zu nahezu 100 Prozent die elektronische Gesundheitsakte und übermitteln ärztliche Befunde und Berichte, Rezepte und Überweisungen.

Das Portal vereinigt Daten aus mehr als 120 unterschiedlichen Quellen und verarbeitet sie zeitnahe zu statistischen Informationen für aktuelle gesundheitliche Fragestellungen. Sowohl über mobile Endgeräte als auch über Kliniksoftware können Bürgerinnen und Bürger sowie Gesundheitspersonal jederzeit auf „sundhed.dk“ zugreifen, um Termine zu buchen oder Informationen abzurufen. Neben der Erhöhung von Effizienz und Effektivität der individuellen Gesundheitsversorgung generiert das dänische System aber noch einen beispielhaften wissenschaftlichen Nutzen aus den erhobenen Daten. Sie befüllen automatisiert nationale Datenbanken und Register, wie zum Beispiel ein nationales Medikations-Register, und sind somit für das Monitoring der nationalen Versorgungslage stets nutzbar. Zusätzlich wertet das Zentrum für Gesundheits­informatik der Universität Aalborg die Daten periodisch aus, um Informationen über die Zugriffe von Dienstleistern und Bürgern auf die Serviceangebote zu erhalten. Bereits 2012 wurde die landesweite Infrastruktur für Telemedizin geschaffen. Noch vor der COVID-19-Pandemie fand rund ein Drittel aller Konsultationen in der Primärversorgung elektronisch statt, was ermöglichte, dass die Verfügbarkeit ärztlicher Leistungen auch während der Pandemie nicht eingeschränkt war.

 

Indikator, kein Maßstab

In den Potenzialen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie liegen viele Hoffnungen auf die Bewältigung der aktuellen Probleme von Gesundheitssystemen. Für die Versorgungsqualität werden eHealth-Entwicklungen zukünftig eine größere Rolle spielen, sie bleiben dennoch nur eine Facette in der Komplexität eines sozialen Systems und sind (noch) nicht mit der Qualität der Gesundheitsversorgung in einem Land gleichzusetzen. Wenn die Funktionalität und Interoperabilität von intelligenten Datenstrukturen und Informationsflüssen auch per se grandiose Errungenschaften darstellen, können sie doch nicht ohne kontinuierliche politische Governance und Empowerment der Bevölkerung entstehen. Legale, ethische und motivatorische Aspekte sind im Vorfeld der technologischen Implementierung gesellschaftlich auszuverhandeln – ebenso ist die Befähigung der Bevölkerung für IT-Nutzung zu entwickeln.

So werfen internationale Benchmarks der Digitalisierung im Gesundheitswesen, unabhängig von der angewandten Methodik, nur einen sehr eingeschränkten Fokus auf den Zustand des jeweiligen Versorgungswesens. Der zügige Aufbau der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Estland zu seinem herausragenden Level war beispielsweise nur möglich, weil dort nie eine öffentliche Diskussion darüber stattgefunden hat. Spanien punktet im Ranking zwar mit absoluten Vorreitern der Digitalisierung in einzelnen Regionen, weist in der nationalen Ausrollung aber noch deutliche Defizite auf. Auch in Kanada leidet die digitale Infrastruktur an dem starken Föderalismus, dafür werden die elektronischen Patientenakte aber einer rigorosen Kosten-Nutzen-Evaluation unterzogen. Israel hat Digital Health innerhalb seiner vier HMOs auf international höchsten Standard gebracht, ohne bislang zu national allgemein gültigen Regulierungen zu gelangen. Deutschland und die Schweiz haben nicht wegen technischer Rückständigkeit Aufholbedarf bei der Digitalisierung ihrer Gesundheitssysteme, sondern aufgrund schwer zu beseitigender Interessens- und Kompetenzkonflikte. Trotz dieser Einschränkungen sind internationale Vergleiche wertvoll und zeigen Lösungswege aus festgefahrenen Sackgassen auf.

 

Belastbare Fundamente

In Österreich besteht mit e-Card, ELGA und dem Portal „gesundheit.gv.at“ eine solide Basis für den weiteren Ausbau der eHealth-Architektur. Eine repräsentative Befragung (10) der österreichischen Bevölkerung 2023 zeigte auf, dass Bekanntheit und Akzeptanz von ELGA zunehmen und deren Nutzen erkannt wird. Aktuell liegt ein Dokument der AG eHealth-Strategie(11) zur Vorlage an die Bundes-Zielsteuerungskommission vor. Nach der bereits begonnenen Ergänzung der ELGA-Funktionalitäten um radiologische Bilddaten und die Einbeziehung von Kassenärzten sollen Terminvereinbarungen online ermöglicht werden und schrittweise digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) in die Regelversorgung übernommen werden.

Letztendlich ist das Ziel, alle im Versorgungsprozess relevanten Gesundheitsdiensteanbieter an die öffentliche Infrastruktur digital anzubinden und im Sinne der integrierten Versorgung zu vernetzen sowie die derzeit nur rudimentär vorhandenen telemedizinischen Angebote auszubauen. Ein weiterer strategischer Schwerpunkt liegt auf dem Umgang mit den entstehenden Gesundheitsdaten: Deren Sekundärnutzung zur Steuerung des Gesundheitssystems und zu Forschungszwecken soll nach Schaffung entsprechender organisatorischer Rahmenbedingungen zur Selbstverständlichkeit werden. Begleitend sind Maßnahmen zur Stärkung der IT-Kompetenz sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch des Gesundheitspersonals vorgesehen, damit die innovativen Ansätze auch verstanden und genutzt werden können. Dieses umfangreiche strategische Maßnahmenpaket ist bis 2030 in einem breiten partizipativen Prozess operativ umzusetzen, um mit den internationalen Entwicklungen Schritt halten zu können und der österreichischen Bevölkerung ihren gewohnt hohen Versorgungsstandard zu erhalten.

Supranationale Institutionen, wie WHO, OECD und EU forcieren derartige nationale Digitalisierungsstrategien im Gesundheitsbereich. Besonders die Europäische Union unternimmt große Anstrengungen, durch Aufbau des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) und eines regulatorischen Rahmens für den Einsatz künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen (AI Act) die eHealth-Entwicklungen ihrer Mitgliederstaaten zu unterstützen. Viele verdienstvolle traditionelle Strukturen und Prozesse müssen dabei wohl neu gedacht oder aufgegeben werden. Der viel strapazierte Blick über den eigenen Tellerrand könnte wieder einmal sinnvoll sein. 

 

Quellen und Links:

[1] The ongoing journey to commitment and transformation: digital health in the WHO European Region, 2023. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2023.

[2] Jillian Oderkirk (2021). OECD Health Working Paper No. 127. Survey results: National health data infrastructure and governance.

[3] European Commission, Directorate-General for Health and Food Safety, Lupiáñez-Villanueva, F., Gunderson, L., Vitiello, S. et al., Study on health data, digital health and artificial intelligence in healthcare, Publications Office of the European Union, 2022

[4] Thiel, R. et al. (2018). Smart Health Systems: Digitalisierungsvergleich im internationalen Vergleich. Bertelsmann Stiftung.

[5] Brock H. Das Baltikum als Versuchslabor. ÖKZ 08-09/2023; 26-28

[6] Brock H. Musterland der digitalen Gesundheitsfürsorge. ÖKZ 10/2022; 26-28

[7] Brock H. Schweden – Vorbild und Schreckgespenst. ÖKZ 12/2023; 28-30

[8] Brock H. Windmühlen sind nicht zum Kämpfen da. ÖKZ 06-07/2022; 22-24

[9] European Commission. Digital Economy and Society Index (DESI) 2022

[10] Bulant-Wodak E. ELGA: Quo vadis?. 13. Österreichischer Gesundheitswirtschaftskongress. 23.6.2023

[11] BMSGPK (2023): eHealth-Strategie Österreich. V0.1 zur Diskussion im Rahmen der Bundeszielsteuerung. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Wien
 

Quelle: ÖKZ, 65. JG, 1/2024, Springer-Verlag.

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