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Corona hat Lieferketten für wichtige Medikamente und Medizinprodukte reißen lassen. Der Schock hat gewirkt. Die heimischen Spitäler arbeiten daran, die Krisenfestigkeit ihrer Logistik zu erhöhen.
Es gibt Erfahrungen, auf die Markus Wille, Leiter der Wirtschaftsbetriebe der Tirol Kliniken, in Zukunft verzichten kann. „Am Anfang war alles in Ordnung. Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt waren Produkte wie Einmalhandschuhe, OP-Hauben und Schutzmasken nur mehr sehr schwer zu beziehen“, erinnert sich Wille an die Zeit der Corona-Pandemie. Für den Innsbrucker Spitalsmanager liegt die Ursache des Problems auf der Hand: „Es ist offensichtlich, wie anfällig die globalen Lieferketten sind. Wenn man abhängig von internationalen Lieferanten ist, hat man im Ernstfall ein Problem.“
Die Tirol Kliniken haben daher ihr Beschaffungskonzept im Nachlauf der Corona-Erfahrungen angepasst. Sie achten beim Einkauf verstärkt darauf, dass lange internationale Lieferketten vermieden werden. So beschafft das Spital die Zutaten für die Küche fast ausschließlich aus der Region. Das gilt vor allem für erntefrisches Gemüse, Obst oder Fleisch.
Wille: „Lebensmittel aus Deutschland oder Kroatien kaufen wir schon längere Zeit nicht mehr ein.“ Bei anderen Produktgruppen ziehen die Tiroler Produkten aus Europa jenen aus Übersee vor, um auch hier die Logistikketten so kurz wie möglich zu halten. Das gilt für die Autos des Fuhrparks ebenso wie für die E-Loks, die im internen Transportsystem eingesetzt werden, oder für die Behälter, die mit diesen Loks transportiert werden. „Wir zahlen dafür einen gewissen Mehrpreis“, meint Wille. Aber das sei ein Aufpreis, der sich lohne.
Bei bestimmten Produkten und Medikamenten hilft aber auch ein Wechsel der Beschaffungsstrategie nicht viel mehr als ein Kräuterzuckerl gegen eitrige Angina. Das gilt vor allem für Antibiotika, Schmerzmittel und fiebersenkende Mittel. Denn die Wirkstoffe, die in diesen Medikamenten enthalten sind, werden weltweit nur mehr von einer Handvoll Herstellern hergestellt. Und die stammen fast alle aus Asien. Hat einer dieser Hersteller Probleme oder kann die Produktion bei einer überraschend gestiegenen Nachfrage nicht schnell genug hochfahren, ist der Lieferstau vorprogrammiert.
Es sind spezielle Maßnahmen notwendig, um die Widerstandsfähigkeit der Krankenhauslogistik zügig zu stärken. Einer dieser Alternativen bedient sich die Niederösterreichische Landesgesundheitsagentur. Sie betreibt zwei Logistikzentren. Mit ihnen kann die Gesundheitsagentur ihre 77 Standorte – 27 Kliniken und 50 Pflege- und Betreuungseinrichtungen – bei Versorgungsschwierigkeiten mit Materialien und Arzneimitteln versorgen. Zwei an die Logistikzentren angeschlossene Apotheken stellen im Normalbetrieb vor allem Augentropfen und verschiedenste Wasch- und Pflegeöle her.
Im Krisenfall können unserer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten viel mehr Produkte herstellen, sofern die Rohstoffe verfügbar sind.
Bislang betreuen diese Zentren 15 der 27 Kliniken und pilotmäßig zwei der 50 Pflege- und Betreuungseinrichtungen – im Normalbetrieb jedenfalls. Denn während der Corona-Pandemie sah das anders aus. „Es wäre praktisch unmöglich gewesen, dass sich alle Standorte das notwendige Material selbst beschaffen“, erinnert sich Kreismayr. „Es gab Phasen, da waren wir schon froh, wenn die Lieferungen an den beiden zentralen Standorten eingelangt sind.“
Kreismayr und ihr Team übernahmen die Versorgung aller 77 Standorte „mit jenen Materialien, die während der Pandemie verstärkt gebraucht wurden“ – dabei handelte es sich vor allem um FFP-Masken, Schutzmäntel oder OP-Hauben sowie Antigentests. Diese Gegenstände wurden auf die einzelnen Standorte verteilt. Die Niederösterreicher profitierten laut Kreismayr zudem davon, „dass wir schon vor Ausbruch der Pandemie stark auf Lagerhaltung gesetzt haben“. So konnte der Bedarf an Schutzausrüstung zumindest teilweise mit dem vorhandenen Material abgedeckt werden. Für die Logistik-Expertin war die Pandemie „die Feuerprobe für unser System“. In Zukunft sollen auch die übrigen Standorte im Spitalalltag von zentralen Logistikzentren betreut werden.
In der verstärkten Lagerhaltung sieht auch Michael Kazianschütz ein probates Mittel, um etwaige Engpässe in der Lieferkette abzufedern. Kazianschütz leitet den Bereich Wirtschaft/Logistik und die Stabsstelle Supply Chain Management (SCM) am LKH Universitätsklinikum Graz. Das Grazer Krankenhaus bevorratet bestimmte Materialien. Dazu gehören persönliche Schutzausrüstungs-Gegenstände wie Einweghandschuhe und FFP-Masken. Das Sortiment soll um Medizinprodukte wie Spritzen und Kanülen erweitert werden. „Das können wir derzeit aber wegen Lieferproblemen nicht umsetzen“, so Kazianschütz, der sich der Ironie der Aussage bewusst ist.
Der Logistik-Manager hat im LKH Graz ein – mittlerweile prämiertes – Logistikkonzept implementiert, das stark vom „Lean Logistik“-Ansatz geprägt ist, den der Autohersteller Toyota entwickelt und perfektioniert hat (siehe ÖKZ 6-7/2023). Der Gedanke dahinter: „Die Prozesse sind so aufgestellt, dass die Waren im Idealfall stets im Fluss sind“, so Kazianschütz. Lean ist aus seiner Sicht kein Widerspruch zu einem resilienten Logistiksystem. Schlanke Prozesse „sind weniger fehleranfällig und damit widerstandsfähiger“, so Kazianschütz.
Dem Thema Notfall ist ein eigener Teil in dem Logistikkonzept des LKH Graz gewidmet. Darin haben Kazianschütz und sein Team mögliche Bedrohungsszenarien für die Logistik des Krankenhauses analysiert, die Risiken bewertet und notwendige Maßnahmen entwickelt. So haben sie unter anderem in Zusammenarbeit mit anderen Bereichen des Hauses eine sogenannte „Standard Operating Procedure (SOP)“ erstellt. In dieser wird definiert, wer was zu tun hat, wenn bestimmte Krisenfälle eintreten. Kazianschütz: „Wir haben das sehr konkret festgehalten: Wenn A passiert, muss B gemacht werden.“
Quellen und Links:
Quelle: ÖKZ, 64. JG, 12/2023, Springer-Verlag.