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„KI ist für uns ein großes Thema“

4. Oktober 2023
Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen.
Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen.

Ein Interview der f&w Ausgabe 8/2023 Seite 728

Autor: Jens Mau

Hauptstadtkorrespondent

jens.mau@bibliomed.de

 

Die Compugroup ist größter Praxissystemanbieter und zweitgrößter KIS-Hersteller Deutschlands. Der aktuelle Umsatzboom des Unternehmens basiert auf Zukäufen und dem KHZG. Hannes Reichl verantwortet das Klinikgeschäft des Konzerns und spricht über die aktuellen Gamechanger im KIS-Markt.

Herr Reichl, 2022 stieg der Konzernumsatz von CGM auf über 1,1 Milliarden Euro. Für 2023 erwartet CGM ein Wachstum von fünf Prozent und eine Gewinnspanne von 260 bis 300 Millionen Euro. Was ist für diesen Schub verantwortlich?

Für 2023 erwarten wir für den Konzern ein organisches Wachstum von circa fünf Prozent. Hinzu kommen die Umsatzbeiträge der neu akquirierten Unternehmen. Alle Segmente tragen zum organischen Wachstum bei, klarer Wachstumstreiber ist jedoch unser Krankenhaussegment mit einem erwarteten organischen Umsatzwachstum im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich. Dies liegt über dem Konzerndurchschnitt.

Der Umsatz für Kliniksoftware ist noch deutlicher gestiegen. Was erwarten Sie für 2024?

Im ersten Quartal 2023 ist der Umsatz mit Kliniksoftware gegenüber dem Vorjahr organisch um elf Prozent gewachsen. Unsere Prognose für die Umsatzentwicklung im Jahr 2024 werden wir wie üblich im Februar 2024 veröffentlichen. Als Indikation kann aber unsere Umsatzerwartung für die mittelfristige Entwicklung bis 2025 dienen, die wir im September 2021 publik gemacht haben. Hier haben wir für das KIS-Segment die Ambition für ein durchschnittliches organisches Umsatzwachstum pro Jahr im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich veröffentlicht. Durchschnittlich heißt natürlich, dass es in einzelnen Jahren auch darunter- oder darüber-liegen kann. Aktuell befinden wir uns in einer Phase starken Wachstums, sodass wir für das Gesamtjahr 2023 gute Chancen sehen, dass das organische Wachstum am oberen Ende der prognostizierten Bandbreite liegt. Vor allem das deutsche Krankenhauszukunftsgesetz ist hier der Treiber.

Welchen Anteil am Umsatzanstieg 2022 haben Akquisitionen?

2022 ist der Konzernumsatz um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Bereinigt um Akquisitions-, Währungs- und Sondereffekte lag das organische Wachstum bei gut sechs Prozent.

CGM ist seit 15 Jahren als jenes Unternehmen bekannt, das kauft und kauft und kauft. Gibt es einen Plan in Ihrer Wachstumsstrategie (welchen)?

Wenn wir akquirieren, achten wir darauf, dass wir die Durchgängigkeit der sogenannten Patient Journey abbilden. Grundgedanke ist die Verfügbarkeit von Daten, um so die Versorgung effizienter zu machen. Natürlich kaufen wir aber auch technisches Know-how ein. KI ist derzeit ein wichtiges Feld.

Welchen Einfluss hat KI kurz- und mittelfristig auf die Versorgung – und Ihr Geschäft?

Die Veränderung passiert jetzt schon. Viele medizinische Entscheidungshilfen basieren auf KI und da werden noch viele weitere kommen. Auch im administrativen Bereich, etwa bei der Kodierung, steckt viel KI-Potenzial. Auch bei uns im Unternehmen ist KI großes Thema. Wir arbeiten daran, mit KI die Supportprozesse zu verbessern und setzen sie zukünftig auch bei der Softwareentwicklung ein.

SAP stellt bis 2027 den Support der wichtigen Branchenlösung IS-H ein – viele Krankenhäuser überrumpelt das. Denn neben den vielen laufenden KHZG-Projekten müssen die IT-Abteilungen auch noch eine Alternative für ihr Patientenmanagementsystem suchen oder gar ein ganz neues KIS.

Ihr KIS-Konkurrent Dedalus steht zum Verkauf, der Mehrheitseigner Ardian wartet offenbar auf den richtigen Zeitpunkt. Wäre es eine Option für CGM, durch den Zukauf des KIS-Marktführers in Deutschland weiter zu wachsen?

Wir beschäftigen uns mit allen Möglichkeiten. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu konkreten Projekten nicht äußern.

Sie haben vor gut drei Jahren das KIS-Geschäft von Cerner erworben – unter anderem gehört das KIS Medico jetzt zu Ihrem Portfolio. Gleichzeitig bauen Sie ein eigenes KIS neu auf. Gibt es eine Fusionsstrategie für die fünf KIS unter Ihrem Dach oder laufen die Produkte auf unabsehbarer Zeit nebeneinander?

Langfristig gesehen macht es Sinn, die KIS zusammenzuführen. Doch es gibt keinen unmittelbaren Plan, unser KIS Medico abzukündigen. Bei Ausschreibungen von für uns potenziellen neuen Kunden bieten wir fast ausschließlich unser neues KIS CGM Clinical an. Die dort weiterentwickelten Komponenten docken wir aber auch in unseren anderen KIS an.

An wie vielen deutschen Klinikstandorten läuft ein CGM-KIS?

Zusätzlich zum Akutbereich sind wir auch bei Reha-Kliniken aktiv und dort sogar das KIS mit den meisten Installationen. In Summe sprechen wir von rund 800 Kliniken, die in Deutschland mit CGM Software betrieben werden.

Wie viele KIS-Neukunden haben Sie 2022 gewonnen?

In Deutschland haben wir im vergangenen Jahr vier KIS-Ausschreibungen in Akut- und Reha-Kliniken gewonnen.

Das KIS-Geschäft wird durch eine Übernahme beeinflusst: Oracle hat Cerner übernommen und im Zuge dieser Übernahme hat SAP seinen Ausstieg aus dem deutschen KIS-Geschäft angekündigt. Mehrere Hundert Häuser mit ISH und über 200 mit ISH und ISH-med müssen sich auf die Suche machen und bis spätestens 2027 einen neuen Anbieter finden. Viele der Kliniken sind Großkaliber. Wie viele Neukunden könnten Sie derzeit bedienen und müssen SAP-Kliniken Angst haben, am Ende ohne KIS dazustehen?

Ich würde mir als Klinik keine Sorgen machen. Derzeit ist die Lage etwas angespannt, weil alle KIS Anbieter die Ausschreibungen umsetzen, die sich aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) ergeben haben. Aber diese Kapazitäten werden ja bald wieder frei. Außerdem wird unser KIS immer flexibler und damit auch leichter einzuführen. 

Die SAP-Kunden sind häufig Maximalversorger, um die jetzt gebuhlt wird. Wieso sollte sich ein Maximalversorger für CGM als KIS-Anbieter entscheiden?

Auch Maximalversorger werden ihre medizinische Versorgungsstrategie zunehmend auf ein ambulantstationäres Setting ausrichten müssen und stärker in die Koordination der Versorgung gehen. Wir stellen uns als Partner im Sinne eines One-Stop-Shops auf, der Expertise und Produkte im ambulanten und stationären Sektor mitbringt. Hier können wir dem Kunden nicht nur Integrationsleistung, sondern auch Beratung anbieten.

Sie haben das KHZG angesprochen. Wie wirkt sich das damit verbundene Auftragsvolumen auf Ihr Geschäft aus?

Es wirkt sich positiv aus. Die auf das KHZG zurückzuführenden Aufträge haben bei uns mittlerweile ein Volumen von 130 Millionen Euro erreicht.

Was sind für Sie die Megatrends in der Gesundheits-IT?

Generell ergibt sich durch die Verfügbarkeit von Daten die Möglichkeit, die Versorgung besser zu steuern. Hier wollen wir unterstützen. Ein weiterer Megatrend ist der direkte Zugang des Patienten zu Leistungserbringern über Portale oder Telemedizin. In den USA ist der sehr deutlich zu sehen und auch in Europa wird dieses Thema immer relevanter. 

Sie vertreiben Software für Kliniken, Ärzte, ambulante Pflege, Altenhilfe und Altenheime – quasi in alle Winkel des Gesundheitswesens. Wie wollen Sie als Unternehmen im Gesundheitsmarkt auftreten? Was ist die Vision für Ihr zukünftiges Geschäftsmodell?

Grundsätzlich sind wir als Softwarehersteller in allen Sektoren gut aufgestellt. Wir wissen, dass der Gesundheitsmarkt ein sehr stark wachsender Bereich ist und dass es viele Effizienzreserven gibt, die durch Digitalisierung gehoben werden können. Also der Markt wächst, die Digitalisierung ist ein relevantes Instrument und CGM ist intersektoral aufgestellt. Beim Zusammenwachsen der Sektoren können wir eine wichtige Rolle spielen.

 

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Hannes Reichl

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